Ein kleines Jubiläum – mein Jahresrückblick in Bildern erscheint nun zum zehnten Mal.
Es war ein Jahr voller Höhen und Tiefen.
Abwechslungsreich, faszinierend, erschreckend, ermutigend.
Das Jahr beginnt kalt und mit Schnee, immer wieder. Und mit Spaziergängen, joggen ist bei diesen Wetterbedingungen nicht so mein Ding…

Eins meiner Sinnbilder für 2021: Masken. Dazu Abstand. Und mal mehr, mal weniger Lockdown.

Mitte Februar, immer noch Schnee und Kälte, immer noch Abstand und viele Spaziergänge. An einem Spätnachmittag laufen wir am Maschsee entlang und fotografieren den Sonnenuntergang. Immerhin, die Tage werden länger. Etwas später kommt Tauwetter.

Ein erster Höhepunkt ist das Passions- und Osterspiel, das wir am Flughafen Hannover in Szene setzen. Eine irre Geschichte, von der Idee bis zur Umsetzung nur wenige Wochen, immer mit der Angst, dass die steigenden Zahlen uns am Ende einen Strich durch die Rechnung machen. (Zur Erinnerung: Seinerzeit fing das gerade erst an mit dem Impfen.) Gespenstig, die Szenerie. Menschenleere Hallen, keine Flüge. Am Drehtag eine mobile Teststation in der Flughafenkapelle. Und die Kreuzigung unten in der Zufahrt zum Versorgungsbereich. Es lief nicht alles rund, war aber eine spannende Erfahrung, nicht nur für mich. Alle Beteiligte waren begeistert. Mehr dazu hier auf meinem Blog: Weder Schuld noch Tod.

An Ostern kommt unsere Tochter aus Berlin angereist, weil sie uns diese Nachricht direkt und persönlich mitteilen wollte. Die Überraschung ist gelungen, ganz große Freude!

Der Frühling kommt, es wird grün und hell, „wir“ dürfen wieder mehr raus. Spaziergänge bleiben auf der Tagesordnung, ein Weg führt uns in den Hiroshima-Hain mit seinen blühenden Kirschbäumen.

Die erste Reise führt uns auch in diesem Jahr nach Berlin. Was für ein unglaubliches Gefühl, nach dem langen Winter und dem Lockdown in Tegel in einem Café mit der Familie einen Kaffee trinken zu können. Es war der erste Tag, an dem die Cafés wieder öffnen durften, die Besitzerin schwankte zwischen Begeisterung und Stress, weil noch keinerlei Routinen funktionierten.

Berlin heißt für mich immer wieder auch: Joggen auf dem Tempelhofer Feld.

Früh für unsere Verhältnisse sind wir im Jahresurlaub. Erneut fahren wir Ende Mai, Anfang Juni nach Mittenwald, laufen sozusagen die Wege ab, die wir im Herbst zuvor nicht geschafft haben. Klar, zum Ferchensee sind wir auch wieder gegangen.

Ich habe auch einige der Hütten abgeklappert, die ich noch aus Urlauben mit meinen Eltern aus meiner Kindheit und Jugend in Erinnerung hatte, hier im Bild die Dammkarhütte. Vergangenheitsbewältigung.

Im Juni findet dieses sehr ungewöhnliche Event im Stadion in Hannover statt. Ursprünglich als „Silvesterlauf“ geplant, um Kunst und Kultur zu unterstützen, konnte das Event aufgrund der Pandemie-Wellen erst jetzt stattfinden. Künstler:innen traten auf, immer eine feste Zahl von Läufer:innen konnten eine halbe Stunde ihre Runden drehen. Martin Kind stellte das Stadion zur Verfügung, Enercity Strom fürs Licht und eichels: Event sorgte für die Organisation. Als einer der Schirmherren ging ich abends noch mal hin (gelaufen bin ich mit Christine schon am Nachmittag) und wanderte durch das fast leere Stadion. Eine irre, einmalige Atmosphäre.

Am 1. Juli beginnt meine dreimonatige Studienzeit, ich darf mich mit der Idee einer Circular Society beschäftigen und bin von allen beruflichen Verpflichtungen freigestellt. Anfangs heißt das lesen, lesen, lesen. Zum Beispiel dieses Buch. Diese „Freiheit“ ermöglicht mir auch, mal ein paar Stunden in den Herrenhäuser Gärten zu lesen. Später in diesen Monaten denke ich verschärft über die Rolle des jeweiligen Kontextes nach, in dem ich lese, schreibe, spreche…

Paris ist an meinem 60. Geburtstag unerreichbar, Frankfurt nicht. Drei Tage sind wir in der Stadt, besuchen Museen, laufen herum und freuen uns, dass es nicht wie angekündigt drei Tage Dauerregen gibt. Der kommt nicht weit entfernt herunter, im Ahrtal und Umgebung, die dunkle Wand ist im Westen zu ahnen… Was mich zum runden Geburtstag bewegt, habe ich unter der Überschrift „Irritierende Leichtigkeit“ aufgeschrieben.

Anfang August bin ich mit vier jungen Leuten in Katerini in Nordgriechenland, vierzehn Tage Workcamp und Studienaufenthalt. Die Bürgerinitiative O topos mou lebt eine „nichtmonetäre Kreislaufwirtschaft“, dazu schreibe ich ein Essay. Die Hitze ist unerträglich und die ausbrechenden Waldbrände nehmen uns fünf mit hinein in eine große Spendenaktion der Initiative. Eine sehr beeindruckende Erfahrung.

Der Hilfseinsatz und die wegen der Waldbrandgefahr gesperrten Wälder führen dazu, dass alle geplanten Ausflüge nicht stattfinden. Was bleibt, ist die abendliche Fahrt mit dem Bus an den Strand. Als bekennender „Nicht-Schwimmer“ war ich tatsächlich viermal im badewannenwarmen Meer.

Nach dem Workcamp bleibe ich noch ein Wochenende in Thessaloniki, ein abendlicher Gang zu den Regenschirmen ist schon fast Routine bei meinem vierten Besuch der faszinierenden Stadt.

Eine Woche nach der Rückkehr aus Griechenland bin ich in Berlin und treffe u.a. Anna-Sofie Geerth in der Citystation der Stadtmission. Ich kenne Anna schon lange über Twitter (@AnnaHBTC), endlich klappt es mal mit einem Plausch, der mir viele Einblicke in die Obdachlosenarbeit in Berlin verschafft.

Aber „eigentlich“ bin ich deswegen in Berlin, der im Frühjahr verschobene Halbmarathon findet statt. Toll, wieder mit vielen Menschen auf der Straße zu laufen. Ich komme diesmal locker durch. Kurz nach dem Zieldurchlauf beginnt es zu schütten, ziemlich nass erreiche ich mein Hotel…

Und noch eine kleine Reise steht Anfang September an, in Bochum feiert der Sozialethiker Günter Brakelmann seinen 90. Geburtstag. Dazu erscheint diese Festschrift, zu der ich auch einen Beitrag geschrieben habe. So nebenbei ist dieser Festakt auch ein „Klassentreffen“ heutiger und früherer KDA-Mitarbeiter:innen.

Zum 60. schenkt mir mein Bruder eine Fahrt auf den Brocken, im September besteigen wir den Zug und fahren durch eine Landschaft voller toter Bäume. Gespenstig. Natürlich regnet es oben.
Ausnahmsweise stelle ich hier auch mal ein Video ein. An diesem Tag feiert die Brockenbahn ein Jubiläum, seit dreißig Jahren fahren wieder Züge hinauf. Dazu gibt es einen Jubiläumszug mit „Promis“, und wir haben Glück, er fährt an uns vorbei.

Spricht für sich. 🙂

In den letzten Wochen und Monaten des Jahres geschieht viel Deprimierendes. Eine vierte Welle macht viele Planungen zunichte, das frustriert. Immerhin, die Ausstellung „Use-less – Fast fashion gegen Verschwendung und hässliche Kleidung“ wird noch eröffnet und sie ist toll geworden. Wir vom KDA sind Kooperationspartner mit etlichen Veranstaltungen – die aber auch nicht alle (so wie geplant) stattfinden können…

Kurz vor Weihnachten steht er fest, der Titel des Buchs mit Essays, die Christine und ich geschrieben haben und die wir zusammen bei oekom veröffentlichen werden. Meine Beiträge entstehen alle in der dreimonatigen Studienzeit. Warum wir uns für ein gemeinsames Buch entschieden haben, das werden wir Anfang 2022 erzählen, wenn wir endgültig abgeben haben und auch das Cover fertig ist. Die Arbeit an diesem kooperativen Werk war für uns aufregend und inspirierend. Wir sind gespannt, wohin uns das führen wird und welche Resonanz wir erzielen. Anfang März wird das Buch im Handel sein.

Weihnachten in Berlin, im kleinsten Familienkreis, schön war es. Von der Stadt haben wir nicht viel gesehen. Das Bild entsteht kurz vor der Rückfahrt am Hauptbahnhof, kalt, aber sonnig war es.

Was bleibt für mich von diesem Jahr und wie schaue ich voraus?
Neben einigen Highlights bleibt vor allem das Gefühl einer tiefen Corona-Erschöpfung. Ich fühle mich seelisch ausgelaugt, weil der neuerliche Rückzug ins Home-Office (als symbolische Verdichtung für diesen Prozess) so viel verhindert, abreißen lässt, im Kopf und Herz durcheinanderwirbelt. Ich lebe davon, Menschen in Präsenz treffen zu können, das wird mir je länger die Pandemie andauert immer deutlicher. Die nahende Omikron-Welle lässt mich wieder erstarren, so wie die mir so vertraute Landschaft auf Bild im Frost eingefroren ist.
Zugleich hat das Bild in seinen Farben etwas Warmes und Hoffnungsfrohes. Der Weg führt nach vorne und dort ist es hell. Vielleicht ist der Wunsch auch Vater des Gedankens, aber mein Bauchgefühl sagt mir, „Ostern sind wir durch“, was immer das heißen mag, wenn es so kommt. Denn mit Corona ist noch einmal mehr und verschärft „meine“ alte und vertraute Welt untergegangen, weniger im Äußeren, stärker im Inneren. Was ist da vorne, wo es hell wird? Ich bin neugierig, aufgeregt, skeptisch. Zu Christine habe ich vor ein paar Tagen gesagt: Der Titel unseres Buchs ist eigentlich auch ein Motto für mich persönlich: „Den Wandel wagen. Widerstände überwinden auf dem Weg in eine bessere Zukunft“.