Herr Pastor, Herr Jung, Herr Pastor Dr. Jung oder Matthias – wie denn nun!?

In diesen Tagen kam ich zu einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin. Ihre erste Frage lautete: „Wie möchten Sie angesprochen werden, Herr Pastor oder Herr Jung oder …?“

Es ist ja auch nicht einfach. Der „Herr Pastor“ ist für manche immer noch eine Art „Respektsperson“, ich setze das mal bewusst in Anführungszeichen. So ähnlich wie „Frau Doktor“. Ähnlich ist es bei Menschen, die Funktionen in Vereinen oder in der Politik ausüben: „Frau Oberbürgermeisterin“, „Herr Abgeordneter“ oder „Frau Präsidentin“. Manche von denen legen auch Wert darauf, so angesprochen zu werden. Daher gebietet die Höflichkeit schon, zu fragen: „Wie möchten Sie angesprochen werden?“

Vielleicht schwingt unbewusst hier und da der Gedanke mit: Das sind besondere Stellungen, das muss sich in der Anrede widerspiegeln. Ich finde das schwierig, man sagt ja auch nicht „Frau Teamleiterin Meier“ oder „Herr Pädagoge Schulze“. Ich finde, wir sollten uns möglichst auf Augenhöhe begegnen und dies auch in der Anrede sichtbar machen. Denn Namen machen uns unverwechselbar, nicht unsere Stellungen oder Professionen. Zugleich aber gilt es immer auch auf die jeweiligen Kulturen zu achten, es gibt „Sie“-Organisationen und „Du“-Organisationen.

Ich für mich lege keinen Wert darauf, als „Herr Pastor (Jung)“ angesprochen zu werden. Ich verstehe, dass das für andere wichtig ist, weil sie sich in einer bestimmten Funktion befinden und das in der Anrede erkennbar werden soll. Für mich persönlich wird so aber Distanz aufgebaut. Daher sage ich zunächst immer erstmal: „Sprechen Sie mich gerne mit ‚Herr Jung‘ an.“

Nicht immer, aber oft füge ich hinzu: „Ihr könnt mich aber auch gerne mit ‚Matthias’ ansprechen.“ Ich finde es angenehm, mit meinem Vornamen angesprochen zu werden. Genaugenommen ist Matthias der Name, auf den ich höre, der Name, den mir meine Eltern bei der Geburt gegeben haben. Der Nachname steht meist schon fest, da kann höchstens der Nachname der Mutter oder des Vaters gewählt werden, wenn beide unterschiedliche Nachnamen haben. Aber der persönliche Name ist mein Vorname. Ich habe daher mal eine Zeitlang Namenslisten alphabetisch nach dem Vornamen sortiert. Das gab einiges an Irritation. Und gute Gesprächen über Sinn und Zweck von Namen.

In der hebräischen Bibel lese ich beim Propheten Jesaja: „Gott spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1). Ein Bibelwort, das von vielen als Gedenkspruch gewählt wird, anlässlich einer Taufe oder bei der Konfirmation. „Ich habe ich bei deinem Namen gerufen!“ – das unterstreicht, dass jeder einzelne Mensch von Gott gesehen und geliebt ist, und damit wertvoll ist.

Grund genug, untereinander achtsam mit unseren Namen umzugehen. Die Kulturen beachten, die Wünsche in der Anrede respektieren und daher lieber einmal mehr als weniger zu fragen: „Wie möchten Sie angeredet werden?“

Wie sehen Sie das? bzw.: Wie seht Ihr das?

Ein Gedanke zu “Herr Pastor, Herr Jung, Herr Pastor Dr. Jung oder Matthias – wie denn nun!?

  1. Bei uns in der WG sprechen wir alle BesucherINNEN mit Vornamen an und duzen. Es ist Ausdruck unseres Verständnisses von Geschwisterlichkeit. Wenn z.B. ein Bischof zu Besuch kommt, dann duzen wir in unseren Räumen. Das wird vorher erklärt. Wenn wir ihn woanders treffen, dann wird er gesiezt – außer es gibt von seiner Seite eine andere Absprache.

    Wenn jemand in offizieller Funktion kommt (gesetzlicher Betreuer eines Mitbewohners), Gutachter, Handwerker, dann siezen wir.
    Beim offenen Samstagsfrühstück wird jede/r gedutzt.

    Eine etwas kuriose Situation hatten wir einmal beim offenen Samstagsfrühstück als sich ein Strafgefangener im Rahmen seiner Entlassungsvorbereitung einen ersten Freigang in unsere WG gewünscht hat. Er kam in Begleitung eines Vollzugsbeamten. Die beiden wurden per Vornamen vorgestellt und haben die gegenseitige Anrede vermieden.

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