Jupp

Eher durch Zufall bin ich heute auf das Stück „Jupp“ gestoßen.
Gesungen von meiner Lieblingsband BAP.
Musikalisch nicht nur wegen des Intros ein Genuss.
Aber vor allem der Text bewegt mich.

Jupp lebt auf der Straße, hat irgendwann und irgendwo einen Finger verloren.
Tag für Tag erzählt Geschichten von seinen Erlebnissen.
Spazierengehen auf dem Äquator.
Kokosnüsse im Packeis.
Skatkloppen mit zwei Yetis in Katmandu.
Und so weiter und so fort.

Nur von Stalingrad erzählt er nicht.
Stalingrad?
In welchem Land liegt das denn?
Kenne ich nicht.

Ich höre das Lied und mir stehen Jupp´s vor Augen.
Männer, aus der Bahn geflogen.
Irgendwann und irgendwo.
Sie erzählen mir ihre Geschichte.
Vor dem Pfarrhaus.

Einer kommt immer wieder mit seinem Rad.
Er will über Philosophie diskutieren und kann es.

Ein anderer will unbedingt arbeiten für ein paar Mark.
Zwei Stunden Laub fegen machen ihn glücklich.
Erzählt hat er nie etwas von sich.

Ein dritter steht mit dem Wohnwagen nebenan auf dem Parkplatz.
Grade hat er alles verloren.
Arbeit, Frau und Kinder und Wohnung.
Geblieben ist nur der Wohnwagen.

Gemeinsam ist ihnen allen:
Sie wollen erzählen.

Noch eine ganz andere Geschichte fällt mir ein.
Geschehen in den neunziger Jahren.
Mehr als 45 Jahre nach Kriegsende.

Ein Mann erzählt mir von seinen Erlebnissen im Krieg.
Als Fahrer war er im Osten für irgendeinen Offizier unterwegs.
Er sagt:
Noch nie habe ich irgendeinem Menschen vom Krieg erzählt.
Sie als Pastor sind der Erste.
Nach bald fünfzig Jahren.

Heute werden neue Jupp´s geschaffen.
Eigentlich andauernd.
Momentan rückt uns das aber wieder einmal näher.
Die einen werden von einem Diktator an die Front geschickt.
Die anderen sind mehr oder weniger freiwillig dort.
Wollen die Ukraine verteidigen.
Auf beiden Seiten kommen Menschen gebrochen nach Hause wie Jupp.

Erzähl mir eine:r, der Mensch wäre im Grunde gut.
Ich halte es lieber mit Helmut Gollwitzer:

„Das Leben ist herrlich.
Das Leben ist schrecklich.
Es lohnt sich zu leben.“

Ich füge hinzu:
Trotz allem.
Und:
Glück und Leid sind nicht gerecht verteilt.

BAP hat den Jupp´s ein musikalisches Denkmal gesetzt.
Es existieren eine Handvoll Live-Einspielungen des Stücks.
Heute singt Wolfgang Niedecken das Lied nachdenklicher als 1982.
Ich kann ihn verstehen.

Ich freue mich über Kommentare: Kritik, Anmerkungen, Zustimmung...

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