Septembergedanken, beim Laufen

15 Kilometer, so lange bin ich seit April 2022 (Halbmarathon Hannover) nicht mehr gelaufen. Im August letzten Jahres ein Riss in der Achillessehne, der mich monatelang vom Laufen abhielt. Im Mai der Sturz mit dem Rad, der mich erneut ausbremste. Mittlerweile geht alles wieder einigermaßen, das Aufbautraining klappt. In sechs Wochen will ich in Thessaloniki den nächtlichen Halbmarathon laufen, da war ein Testlauf sinnvoll und notwendig.

Es lief gut heute früh. Die Kondition stimmt, ein wenig Krafttraining ist noch erforderlich. Nach dem Lauf heute bin ich zuversichtlich. Klar: Gesundheit, Wetter, Corona – es kann noch viel passieren. Das ist normal.

Unterwegs mischen sich noch andere Gedanken und Gefühle ein:

„Bist du eigentlich verrückt, wegen eines Halbmarathons nach Thessaloniki zu fliegen? Schon mal was von Klimakrise gehört?“

Oder:

„An vielen Stellen geht grade die Welt unter, Griechenland brennt erst und säuft jetzt ab, und du machst dir Gedanken um deine sportliche Fitness?!“

Das ist ein Muster, dass ich seit Jahrzehnten kenne:

„Wie kannst du als Pastor ein A13-Gehalt beziehen und nicht die Hälfte spenden für notleidende Menschen in XYZ…?!“

Dieses Muster löst Schuldgefühle aus – warum geht es mir „so gut“ und anderen so schlecht. Dann kommen so Gedanken, manchmal auch Forderungen von anderen: „Du müsstest aber…“, „Das kannst du doch nicht machen…“ „Schämst du dich nicht…“

Ich erinnere mich daran, dass mich und andere diese Frage schon in jungen Jahren umtrieb. Einmal diskutierten wir im theologischen Seminar bei Wolfgang Huber darüber. Er sagte sinngemäß:

„Alles verständliche Gedanken und Gefühle. Aber: Ihr seid hier geboren, ihr habt es euch nicht ausgesucht. Ihr könnt nicht aus dem System aussteigen, ihr müsst und ihr dürft euch arrangieren.“

Das beinhaltete für ihn durchaus den Einsatz für andere. Aber er wollte einen Kontrapunkt zu den lähmenden Schuld- und Schamgefühlen setzen, die ja völlig normal sind. Das war entlastend.

Daher genieße ich den Sport und hoffentlich die Reise nach Griechenland, wo ich auch Freunde und Bekannte besuchen werde. Dass ich zugleich in einem der reichsten Länder der Erde lebe, das erheblich zu den Klimakrisenfolgen beiträgt, kann ich nicht ändern. Es ist mir bewusst und tut weh. Aber was wäre die Alternative?

Ein Gedanke zu “Septembergedanken, beim Laufen

  1. „Ihr könnt nicht aus dem System aussteigen, ihr müsst und ihr dürft euch arrangieren“ – und genau das schadet den Großkirchen in Deutschland mehr als es ihnen nützt – zumindest auf lange Sicht..

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