Rezension in einem Satz:
Für alle, die sich für Fragen von Kirche, Theologie und Social Media interessieren, ist der in der aktuellen Herder-Korrespondenz 5/2012 erschienene Aufsatz sehr lesenswert und gibt eine Fülle von Gedankenanstößen.
Zwei Zitate als Appetitanreger:
Daneben weisen Studien darauf hin, dass intensive Facebook-Nutzende sich immer wieder in buchstäblich rauschhaften »Flow-Erfahrungen« scheinbar unbegrenzter Möglichkeiten und direkter, meist positiver Rückmeldungen verlieren. Langzeitbefragungen zeigen aber auch auf, dass die Lebenszufriedenheit dadurch sogar sinken kann. Denn wo sich alle von ihrer besten Seite präsentieren, werden auch die Kosten jedes Lebensentwurfes schmerzhaft sichtbar. Die junge Mutter wirdam heimischen Rechner mit den prachtvollen Bildern der Karriere-Freundin auf Safari in Südafrika konfrontiert. Diese wiederum wird angesichts der prallen Baby- und Familienfotos schmerzhaft an Alter und Einsamkeit erinnert. (…) Das viel diskutierte »Burn-Out« ist maßgeblich auch ein Ergebnis der sozialen Medien, die Prozesse immer weiter beschleunigen, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit auflösen und durch die ständige Rückkoppelung mit der »großen Welt« das eigene Sein überfordern. Der Schwarm verspricht alles, doch verzeiht er kaum Schwächen. Die virtuelle Existenz euphorisiert und legt zugleich unsere tiefsten Bedürfnisse bloß.
Das Internet wird nicht das Paradies auf Erden bringen. Vielmehr bringt es Großes und Soziales, wie aber auch Aggressives und Niederträchtiges in uns Menschen hervor. Es schmiegt sich an unsere tiefsten, emotionalen Bedürfnisse und konfrontiert uns zugleich mit Orientierungs-, Sinn- und schließlich Wahrheitsfragen. Es ermutigt Radikale und Pöbler zunächst, aber setzt sie dann den Argumenten empirischer Wissenschaften aus. Noch immer ist vieles unklar, wild, durchaus auch gefährlich – und gewachsene Institutionen sollten vor eigenen Ausflügen Pfadfinder (…) oder erfahrene Blogger (…) für Austausch und Konzepte anheuern. Vor allem sollten Kirchen, Religionsgemeinschaften, Akademien und theologische Lehrstühle doch zunächst einfach jene ansprechen, wertschätzen und einbinden, die sich bereits als Bloggende und Web-Kreative tiefer in die Wildnis der neuen Welt gewagt haben.
Link zum Blog von Michael Blume (dort auch ein Direktlink zum Artikel