Ihr könnt nicht Gott und dem Geld dienen. Predigt über Matthäus 6, 19-24

3. Mai 2015 in der Martinskirche, Osnabrück-Hellern

Martinskirche Glasfenster

(Im Eingangsteil wird ein fiktives Interview mit Martin Luther gelesen. Fiktiv sind allerdings nur die Fragen, die Antworten Luthers sind Zitate aus verschiedenen Schriften. Das Interview findet sich unter der Predigt.)

Liebe Gemeinde,
500 Jahre sind die Worte Martin Luthers alt.
Sie klingen ziemlich aktuell.
Luther ist skeptisch, ob die Machthaber das Richtige tun.
Er fordert, dass die Machthaber für die Bedürftigen sorgen sollen.
Wir hören von der Übervorteilung der kleinen Betriebe.
Und von der Ungerechtigkeit dass die Kleinen gehängt werden und die Großen davon kommen.
Nichts Neues unter der Sonne…

Anlass, deprimiert zu sein?
Der Mensch ist halt gierig, da lässt sich nichts dran ändern?
Das Wirtschaftssystem beutet halt aus, was kann ich kleiner Mensch dran ändern?

Mag sein.
Doch hören wir, was Jesus in der Bergpredigt über Geld, Schätze und Glaube gesagt hat (Mt 6,19-24):

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.
Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.
Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.
Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein.
Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!
Niemand kann zwei Herren dienen:
Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten.
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Niemand kann zwei Herren dienen, so lautet Jesu Kernsatz.
Jesus ist nicht gegen Geld an sich, sondern nur gegen das Schätze sammeln.
»Schätze« haben Menschen schon immer fasziniert.
Piraten sind ihnen hinterher gejagt.
Abenteurer haben unglaubliche Strapazen auf sich genommen.
In der Hoffnung auf den einen großen Schatz.
Erinnern Sie sich an Smeagol?
Die Figur aus dem »Herr der Ringe«?
Die armselige Kreatur ist besessen von dem Wunsch, den Ring der Macht zu besitzen.
Ihr ursprüngliches Wesen ist verschwunden.
Wie ein schleichendes Gift hat sich der Ring seines Herzens bemächtigt.
Um den Ring zu besitzen ist Smeagol bereit, alles zu tun.
Lügen, betrügen, verraten, morden …

Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Geld.
Oder wie man früher sagte, Gott und dem Mammon.
Geld ist dabei in Jesu Augen nicht an sich schlecht.
Es ist ein Stück Metall, mit dem ich kaufen oder tauschen kann, was ich zum Leben brauche.
Aber es soll nicht zum Schatz werden und all mein Denken und Handeln bestimmen.
Da schiebt Jesus einen Riegel vor.
Und fragt – mich, uns:
Was bestimmt Euch:
Die Gier nach immer mehr, die Angst, nicht zu kurz zu kommen –
oder das Vertrauen, dass genug für alle da ist?
»Genug, das ist das Beste was es gibt.«
So lautet ein schönes Wort von Andre Gorz, dem inzwischen verstorbenen französischen Sozialphilosophen.
Mehr als genug haben wollen – das ist Schätze sammeln wollen.

Helfen tut das nicht.
Ein anderes Mal erzählt Jesus vom reichen Kronbauern.
Riesige Scheunen, bis oben hin voll, genug für Jahrzehnte.
Doch in der Nacht lässt der Bauer sein Leben.
Und hier in der Bergpredigt erinnert Jesus daran:
Schätze locken gerne Diebe an.
Motten fressen schnell das Gehortete.
Wo er recht hat, hat er recht.
Oder?

Jesus formuliert hier in der Bergpredigt so schön wie ein Dichter.
Er spricht das Gefühl an und stellt so grundsätzliche Fragen.
Was bestimmt euch?
In der Tiefe eures Herzens?

Martin Luther ist da viel nüchterner.
Ihm geht es um die Praxis.
Und es bleibt uns ja in der Gegenwart nicht erspart, über Geld nachzudenken.
Aber dann ist es gut, beides zusammen zu hören:
Die poetischen Worte Jesu und die praktischen Luthers.
Drei Dinge fordert Luther aus Sicht des Glaubens:

Man soll an die Kleineren nicht übervorteilen.
Er mahnt einen vernünftigen Umgang mit Geld an.
Er erinnert die Machthaber an ihre Aufgabe, für Ordnung zu sorgen.

Die Kleinen werden gehängt, die Großen laufen gelassen.
Der Großkaufmann ruiniert den kleinen Händler.
Durch einen Preiskampf, den der Große sich leisten kann, der Kleine aber nicht.
Marktwirtschaft, sagen die einen.
Ungerechtigkeit, sagt Martin Luther.
Verkaufen soll ein Werk der Nächstenliebe sein, keine Gewinnsucht.
Heute würde Luther vielleicht so sagen:
Jeder Mensch hat ein Recht darauf, menschenwürdig leben zu können.
Übervorteilung, Ausbeutung, Leben unter der Armutsgrenze gehören dazu nicht.
Doch was tun?
Wir sind in der Regel keine Politiker, keine Unternehmerinnen.
Aber auf die Würde jedes Menschen achten, das können wir alle.
Und wenn es uns möglich ist, die etwas teureren Kartoffeln oder Eier vom Hof nebenan kaufen.
Statt die billigeren aus dem Supermarkt.
Und damit bin ich auch schon bei der zweiten Forderung Luthers.

Die Preise sollen angemessen sein.
Dass sich Händler und Produzenten für ihre Arbeit bezahlen lassen, dagegen hat Luther nichts.
Jede und jeder soll leben können.
Aber er wendet sich dagegen, dass Geschäfte mit Geld oder mit knappen Gütern gemacht werden.
Geld ist Mittel zum Zweck.
Es soll helfen, dass gemeinsames Lebens funktioniert.
Nicht mehr, nicht weniger.
Luther hätte überhaupt kein Verständnis dafür gehabt, dass Banken in der Finanzkrise keine Kredite mehr an den Mittelstand gegeben haben.
Und so Betriebe an den Rand des Ruins getrieben wurden.
Und manchen darüber hinaus.
Luther hätte aber auch kein Verständnis dafür gehabt, dass die Kunden nicht bereit sind, faire Preise zu zahlen.
Den erbitterten Verdrängungswettkampf im Nahrungsmittelhandel zum Beispiel hätte Luther kaum gut geheißen.
Wenn ihr gut essen und trinken wollt, dann bezahlt auch diejenigen gut, die euch Brot, Milch und Wein bereit stellen.
Alle Geschäftemacherei, überteuerte Preise, Zinswucher, aber auch die Verschleuderung im Konkurrenzkampf, all das hätte Luther abgewehrt.
Und das liegt genau in der Aufforderung Jesu, keine Schätze zu sammeln.
Sondern er sagt:
Lasst euch vom Vertrauen auf den liebenden Gott bestimmen.
Und setzt euch dann für den Nächsten ein.
Wohlgemerkt, Luther wie Jesus waren keine Asketen.
Sie haben nicht den Verzicht gepredigt, feierten beide gerne.

Und das Dritte:
Martin Luther erinnert die Könige und Fürsten an ihre Aufgabe, für Ordnung zu sorgen.
Und das heißt für ihn:
Schiebt der Ausbeutung, der Übervorteilung, der Gier nach immer mehr Schätzen einen Riegel vor.
Denn für Ordnung sorgen bedeutet:
Sorgt für gute Lebensbedingungen aller Menschen.
Auch wenn wir heute keine Könige und Fürsten mehr haben, sondern Politikerinnen und Politiker, an der grundlegenden Aufgabe ändert das nichts.
Und was wir da in den letzten Jahren in der sog. „Finanzkrise“ erlebt haben und erleben, zeigt an, wie wichtig diese Aufgabe ist.
Die westlichen Staaten haben in den letzten zwanzig Jahren eher darauf gesetzt, staatliche Regelungen abzuschaffen.
Sie glaubten, der freie Markt bringt den Wohlstand dann schon von alleine.
Heute sehen wir, dass dies ein Irrtum war.
Griechenland, Portugal und Spanien stöhnen unter ungeheuren Schuldenlasten. Und eine ganze junge Generation im Süden Europas lebt ohne Hoffnung.
Aber auch in Deutschland wächst die Zahl derer, die im Alter unter Armut leiden.
Das hat die Osnabrücker Sozialkonferenz am letzten Wochenende eindrucksvoll belegen können.
Doch wer hat Lösungen?
Wahrscheinlich müssen wir alle miteinander sagen:
Derzeit keiner.
Gerade deshalb ist es aber wichtig, im Gespräch miteinander zu bleiben.

Denn eins ist nicht gut:
Den Politikerinnen und Politikern die Verantwortung allein zuzuschieben.
Es ist unser Land, unsere Gesellschaft, unser Leben.
Denn die Gesellschaft ist nicht mehr so klar gegliedert wie zu Luthers Zeiten.
Oben Fürsten und Kirche, in der Mitte die Bürger, unten die Bauern.
Das ist heute anders.
Es herrscht ein ziemliches Durcheinander.
Alleine nur nach dem Staat zu rufen, ist zu wenig.
Es geht uns alle an und so können wir alle mitreden, mitdenken, mitmachen.

Liebe Gemeinde,
ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld.
Was bedeutet dieser Satz für uns?
Für mich als Einzelnen?
Für unsere Familien, Kirchengemeinde, Kommunen?
Aber auch für das Leben von so unglaublich vielen Menschen auf unserem Planeten?
Der Satz muss immer wieder neu durch buchstabiert werden.
Jede und jeder von uns kann sich daran beteiligen.
Jesus fordert uns dazu auf – zu unserem eigenen Besten und zu dem meines Nächsten.
Denn:
Gott dienen – und nicht dem Mammon –, das heißt dem dreifachen Liebesgebot Jesu nachzustreben:
Liebe Gott, deinen Nächsten und dich selbst.

Amen.


Frage:
Lieber Herr Luther, heute bestimmen Großbanken und riesige Konzerne die Weltwirtschaft. Zu ihrer Zeit fing der weltweite Handel gerade erst an. Es entstanden große Handelsgesellschaften. Diese Gesellschaften – dazu gehörten u. a. die Fugger – revolutionierten die Wirtschaft, verbanden Handel mit Textilien und Gewürzen mit dem Einsatz ihres Geldes im Bergbau und finanzierten Projekte der Fürsten. Wenn man so will, waren diese Gesellschaften Vorläufer unserer Banken und Großkonzerne. Sie haben damals sich sehr kritisch zu den neuen Handelsgesellschaften geäußert.

Luther:
Von den Handelsgesellschaften sollte ich wohl viel sagen. Aber es ist alles so grund- und bodenlos mit lauter Habsucht und Unrecht, dass nichts daran zu finden ist, was man mit gutem Gewissen dabei handeln könnte. Denn wer ist so verblendet, dass er nicht sieht, wie die Handelsgesellschaften nichts anderes sind als lauter richtige Monopole. (KW 311)

Frage:
Von Monopolen sprechen wir heute auch noch. Aber mich überrascht, dass Sie diesen Begriff auch bereits verwendet haben. Was macht die Monopolisten aus? Wie würden Sie diese beschreiben?

Luther:
Sie haben alle Ware unter ihren Händen und machens damit, wie sie wollen, sie treiben ohne alle Scheu die oben angeführten Stücke, dass sie den Preis nach ihrem Belieben steigern oder heruntersetzen und alle kleinen Kaufleute bedrücken und zugrunderichten. (KW 311)

Frage:
Wie kann ihrer Meinung nach ein Christ in einer solchen Organisation arbeiten?

Luther:
Darum braucht niemand zu fragen, wie er mit gutem Gewissen in den Handelsgesellschaften sein könne. Es gibt keinen anderen Rat als: Laß ab davon. Da wird nichts anderes draus. (KW 313)

Frage
Das ist ein hartes Urteil. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, sich als Christ an Handel und Wirtschaft zu beteiligen.

Luther:
Wie soll das je göttlich und recht zugehen, wenn ein Mann in so kurzer Zeit so reich wird, dass er Könige und Kaiser auskaufen könnte? – Könige und Fürsten sollten hier dazusehen und nach strengem Recht das verhindern. Aber ich höre, sie sind bewusst daran beteiligt. Sie lassen die Diebe hängen, die einen oder einen halben Gulden gestohlen haben, und machen Geschäfte mit denen, die alle Welt berauben. (KW 312)

Frage:
Das sind harte Worte… Haben Sie vielleicht doch noch ein paar konkrete Ratschläge für Christen, die als Kaufleute oder Handwerker arbeiten?

Luther:
Es sollte nicht so heißen: ich kann meine Ware so teuer hergeben als ich mag oder will, sondern so: ich kann meine Ware so teuer hergeben, als ich soll, oder als recht und billig ist. Denn dein Verkaufen soll nicht ein Werk sein, das deiner Macht und Willkür ohne alles Gesetz und Maß freisteht, als wärest du ein Gott, der an niemand gebunden wäre. Sondern weil dieses dein Verkaufen ein Werk ist, das du deinem Nächsten gegenüber tust, so soll es durch Gesetz und Gewissen eingeschränkt sein, dass du es ohne Schaden und Nachteil für deinen Nächsten tust. Du sollst viel mehr darauf acht haben, dass du ihm keinen Schaden tust, als darauf, dass du einen Gewinn machst. Ja, wo sind solche Kaufleute? (KW 294f.)

Frage:
Das ist eine harsche Kritik. Ich habe aber noch eine ganz andere Frage. Im Judentum, im Christentum, ja auch im Islam ist es umstritten, ob man Zins nehmen darf. Was sagen Sie zum Kauf auf Zins?

Luther:
Der Zinskauf taugt doch ganz und gar nichts, denn Gottes Gebot steht im Weg und will, dass den Bedürftigen geholfen werde mit Leihen und Geben. Wenn nun das geschieht ohne Übertretung des geistlichen Gesetzes, dass man aufs Hundert vier, fünf, sechs Gulden gibt, lässt sich´s ertragen. Je weniger aufs Hundert, desto gottgefälliger und christlicher ist der Kauf. Es ist aber meines Amtes nicht, anzuzeigen, wo man fünf, vier oder sechs aufs Hundert geben soll. Ich lass es bleiben bei dem Urteil der Richter, dass man sechs nehmen darf. Nun findet man aber etliche, die zu viel nehmen, sieben, acht, neun, zehn aufs Hundert. Da sollten die Machthaber einschreiten. Hier wird das arme gemeine Volk heimlich ausgesogen und schwer unterdrückt. (Sermon 15)

Frage:
Glauben Sie, dass Sie mit ihren Worten Gehör finden?

Luther:
Zwar denke ich abermals, dies mein Reden werde völlig umsonst sein, weil das Unheil schon so weit eingerissen ist und in jeder Hinsicht in allen Landen überhand genommen hat. (KW 293)

Literaturangaben:

KW – Von Kaufhandlung und Wucher, WA

Sermon – Ein Sermon von dem Wucher (1519); zitiert nach: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. Von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Vierter Band, Insel Verlag 1982

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