Spannender Beitrag. Ich bin schon länger der Meinung, es müsste sich mal jemand hinsetzen und eine theologische Ethik der Sprache schreiben. Also Kriterien entwickeln zum »rechten« Gebrauch der Sprache. Ein paar unsortierte Gedanken dazu am Montagmorgen.
Ralf stellt die Frage nach dem Wert der Sprache: Ist es schon ein Wert an sich, die deutsche (oder englische oder oder…) Sprache hochzuhalten? Ich denke schon, weil die Muttersprache vermutlich die Sprache ist, in der wir uns am besten ausdrücken können. Ausdrucksfähigkeit ist aber nur ein Pol, ich will auch verstanden werden und damit ist Kommunikationsfähigkeit ein zweiter Pol. Und diese Fähigkeit bezieht logischerweise den Anderen mit ein und das Einlassen auf dessen Sprachfähigkeit.
Ich frage weiter: Was heißt denn »Muttersprache«? Und ist es da nicht angebracht, dem Kampf gegen Anglizismen usw. zu führen, weil die deutsche Sprache sonst verhunzt wird? Die Gefahr ist sicher nicht von der Hand zu weisen, aber das Problem ist unlösbar – weil die Kritik übersieht, dass Sprache immer im Fluss ist und sie versuchen, einen bestimmten Moment als normativ zu setzen. Anders gesagt: das Deutsch von Luther spricht heute keiner mehr, das Deutsch des 20. Jahrhunderts einfach als Maßstab zu setzen und daran Veränderungen zu messen, scheint mir zu einfach zu sein.
Hinter diesen Fragen taucht dann die eigentlich theologische Frage auf, die Ralf sehr schön stellt: Worum geht es eigentlich? Es geht um die Kommunikation des Evangeliums. Und diese geschah immer schon vielsprachig. Der Hinweis auf das Nebeneinander von Aramäisch, Hebräisch und Griechisch (und da auch noch mal zu unterscheiden zwischen Alltagsgriechisch und »Altgriechisch«) zur Zeit Jesu zeigt schon, dass das Evangelium von Anfang an mehrsprachig kommuniziert wurde, ganz selbstverständlich – weil Gottes Wort eben alle Menschen erreichen will und soll. Dem Volk aufs Maul schauen mag dann auch heißen – mehrere Sprachen sprechen, oder auch nur: die Sprache sprechen, die »gerade« gesprochen wird.
Damit zurück zum »Denglisch«. Sicher ärgere ich mich auch über manche Anglizismen in der deutschen Sprache, manchmal wundere ich auch nur oder schmunzle. Es kann mich auch als Deutschen ärgern, dass Englisch die Weltsprache Nummer 1 ist, weil es eben nicht meine Muttersprache ist. Aber ist das nicht etwas nationalistisch angehaucht…? Was würden wir hier umgekehrt denken und sagen, wenn Deutsch die Weltsprache wäre?
Wenn es um Verständigung in einer zunehmend global vernetzten Welt geht, dann kommen wir um das Englisch nicht herum. Und ich glaube, »Code-Switching« ist dann ein relativ normaler Vorgang, weil wir ahnen, spüren, wissen, dass es eben Ausdrücke gibt, die in verschiedenen Sprachen verschieden konnotiert sind. Es schärft daher eher das Verständnis von Sprache und damit die Kommunikation, wenn Begriffe verwendet werden, die nicht in der Muttersprache beheimatet sind, weil nämlich dann der kurze Moment des Zögerns einsetzt und ich im Kopf und im Gefühl »switche«. (In der geschrieben Sprache machen wir das auch: wenn ich Begriffe in »Anführungszeichen« setze, dann versuche ich diesen Moment des Stolperns in das Lesen einzubauen. Und dies ist im Kern eine ethische Entscheidung, die ich hier treffe.)
Nichtsdestotrotz bleibt aber die Rolle der Muttersprache drängend und zwar vor dem Hintergrund der Frage, in welcher Sprache das Evangelium »am besten« vermittelt werden kann. Letztlich kann und wird Gottes Geist schon seinen Weg zu den Herzen und Köpfen finden. Aber was ist, wenn die Beherrschung der »eigenen« Sprache (von einer »Fremd«-Sprache ganz zu schweigen) immer weiter eingeschränkt ist? Mancher Jugendliche ist kaum in der Lage, in Worten auszudrücken, was er denkt. »Keine Ahnung« ist die häufigste Antwort, die ich von Jugendlichen auf Fragen welcher Art auch immer zu hören bekomme. Jesus konnte zwei, drei Sprachen, Paulus auch, und heute?
Hinter all diesen Gedanken öffnet sich für mich die Frage, welche Sprachform zu welcher Gelegenheit angemessen ist. Das ist die ethische Grundfrage. Welche Sprache ist im Geschäftsbrief, in der Predigt, im Bekenntnis, in der Verabredung für ein Social Media Roundtable, in der Klage, in der Liebe usw. usw. die angemessene? Die Verwechslung von Sprachformen ist die Keimzelle von Missverständnissen und letztlich unnötiger »Kommunikation«. Das Roundtable-Gespräch bei der EKiR am vorletzten Freitag hat gezeigt, wie sinnvoll und notwendig solche Austauschrunden sind, weil schon zwischen Medienprofis und Theologen manchmal sehr unterschiedlich »gesprochen« wird. Achtsames Zuhören ist der Anfang der (Sprach-)Ethik.
Irgendwann haben wir es ganz weit gebracht mit dem ganzen Globalesisch. Hoffentlich sind dann alle glücklich:
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Danke für die weiterführenden Gedanken! Ralpe
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