Wer verbietet, versagt?! Oder: Über das gezielte Werfen von Nebelkerzen in der Klimakrise

Derzeit wird an einem neuen Narrativ gearbeitet, um Massnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu diskreditieren. Den Jugendlichen von fridaysforfuture, den Grünen, eigentlich allen, die »links« stehen, wird pauschal unterstellt, mit Verboten die Welt retten zu wollen. Verbote aber, so heißt es gebetsmühlenartig, wären die schlechteste aller Möglichkeiten, Verhaltensänderungen von Menschen zu erzielen.

Gestern las ich einen Text von Stefan Laurin, der diese Argumentation auf die Spitze trieb. Seine Polemik »Der unheimliche Wunsch nach einem starken Führer« (schon das allein ist ein perfides Narrativ, dass alle Klimaschützer/innen in eine bestimmte Ecke rückt) endet mit dem Satz: »Wer Verbote fordert, ist ein Versager, denn er braucht jemanden, dem er gehorchen kann. Und Versager können eines am besten: Versagen.«

Laurin behauptet, alle Versuche, mit staatlichen Regelungen zum Schutz des Klima beizutragen, seien von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil den Versager/innen nichts besseres eingefallen ist, als Befehle zu formulieren und damit zu versagen. Mit »liberaler Zuversicht« dagegen lösen sich alle Probleme von selbst. Schaue ich mich in der Welt um, bin ich allerdings skeptisch. (Und ja, ich kenne das Argument: Wenn weniger reguliert wäre, dann wären wir schon viel weiter. Fragt sich nur, wo.)

Es geht nicht ohne »Verbote« oder Regelungen, die bestimmtes Verhalten als schädlich brandmarken und unter Strafe stellen. Weil sich eine Gesellschaft in einem demokratischen Prozess darauf – mit Mehrheit – geeinigt hat. Bei Mord ist das selbstverständlich, aber auch das Verbot von Tabakwerbung oder das Verbot, ohne Sicherheitsgurt Auto zu fahren gehören dazu. Bei Giftstoffen in der Nahrung oder im Boden ist das auch völlig unstrittig. Bin ich ein Versager, wenn ich Verbote fordere, die Menschen und Umwelt schützen?

Meine Freiheit endet bei der Freiheit meines, meiner Nächsten. Das spiegelt sich in dem schönen, wenn auch schwierig zu definierenden Begriff Gemeinwohl. Was »Wohl« ist und welche Werte sich damit verbinden, kann nur im Diskurs bestimmt und am Ende im demokratischen Prozess in Gesetze überführt werden. Gesetze, die bestimmtes Verhalten »belohnen« oder fördern (durch Anreize) oder eben »verbieten« oder untersagen. Es braucht beides und es muss abgewogen werden, welcher Weg und damit welches Format vermutlich zielführender ist. Sicherheiten gibt es vorab sowieso nicht.

Die Problematik, die wir derzeit durchleben müssen, besteht für mich darin, dass die Klimakrise global und komplex ist. Was kann ich schon ausrichten? Macht es Sinn, national voranzugehen? Und wenn ja, mit welchen Regelungen? Mit welchen Anreizen oder auch Verboten, und zwar beide Male unter der Frage: Was will ich mit der jeweiligen Regelung erreichen? Diese notwendige und sinnvolle Diskussion wird durch Nebelkerzen verschleiert – um sie verhindern. Die Interessen mögen verschieden sein, das Ergebnis bleibt gleich: Menschen, die Verbote für sinnvoll und angemessen halten, werden diskreditiert als »Möchte-gern-Diktatoren« (ich bin jetzt auch mal etwas polemisch), denen nichts Besseres einfällt als Gängelung von Menschen.

Oder man drückt sich um die aus meiner Sicht unverzichtbare Entscheidung herum, welche die Klimakrise (in Verbindung mit den anderen SDGs der UN) als die größte Herausforderung benennt, vor der wir stehen. Es wird dann behauptet, Arbeitsplätze, wirtschaftlicher Wohlstand und Sicherheit seien gleichrangige Ziele, die es zu beachten gilt. So kann ich die Ziele hin und herschieben und brauche nichts zu entscheiden. (Ganz abgesehen davon, dass sich die Stimmen derer mehren, die darauf verweisen, dass verzögerte Entscheidungen am Ende viel teuerer werden und dann zu erheblich mehr »Einschränkungen« führen werden.)

Oder man setzt auf die charmantere »Profi-Lösung«, dass »die Wirtschaft« schon grüne Lösungen zum Wohle aller produzieren wird, wenn man sie nur frei von allen staatlichen Einflüssen wirken lässt (aber natürlich nur, wenn der gleiche Staat die entsprechende Infrastruktur kostenfrei zur Verfügung stellt).

Diese Nebelkerzen suchen die Grundsatzentscheidung zu verhindern. Schade, dass den sogenannten Liberalen nichts Besseres einfällt. Ist das bewusste Verhindern von notwendigen Entscheidungen vielleicht die Kehrseite von vorschnellen Verboten (die es zweifelsohne gibt)? Weil es in beiden Fällen darum geht, dass ein bestimmtes Verhalten nicht zustande kommt? Dann fällt der Vorwurf des Versagens auf die Verhinderer/innen zurück, ihnen fällt auch nichts Besseres ein, als zu verhindern und so zu versagen.

Es braucht Anreize und es braucht Verbote, um gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne des Gemeinwohls mit zu steuern. Das geht auch global, das Verbot von FZKW ist dafür ein Beleg. Aber wir müssen zuerst die Priorität klären. Dann werden die anderen Entscheidungen »einfacher«. Hören wir doch auf, eine formale Diskussion über Verbote zu führen. Oder Klimaaktivist/innen moralisch in die Ecke zu stellen, weil sie vielleicht auch in ein Flugzeug steigen oder einen Burger essen. Viel wichtiger ist doch die Frage, welche Wege jetzt eingeschlagen werden können, um Leben auch für unsere Enkel und Urenkel lebenswert zu erhalten. Sonst verhindern/verbieten wir deren Leben und das wäre allerdings ein Versagen.

Ich freue mich über Kommentare: Kritik, Anmerkungen, Zustimmung...

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..