Mein Statement auf dem Chörefestival gegen Rechts
Zur Zeit höre ich den Podcast „Sächsische Verhältnisse“, den Jan Witza entwickelt hat. Eine klare Hörempfehlung für alle, die sich für Stimmungen, Einstellungen und Entwicklung im östlichen Teil unseres Landes interessieren.
In dieser Woche habe ich das Gespräch gehört, dass Jan mit Frank Richter geführt hat. Frank Richter war vor ein paar Wochen in den Medien, weil er haarscharf als unabhängiger OB-Kandidat in Meißen gegen seinen Konkurrenten verlor, der von CDU und AfD gemeinsam unterstützt wurde. Als der Podcast aufgezeichnet wurde, war Frank Richter noch Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche. Eine der ersten Fragen, die ihm gestellt wurden, lautete: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie seien ein „Pegida-Versteher“, weil Sie sich stets für den Dialog mit denjenigen eingesetzt haben, die zB an den Aufmärschen montags in Dresden dabei sind. Richters Antwort finde ich bemerkenswert. 1., sagt er, könne er mit diesem Vorwurf gut leben, weil das Streben nach Verständnis noch lange kein Einverständnis bedeutet. Und er habe schon den Wunsch, zu verstehen, was Pegida-Anhänger/innen denken. 2. sagt er, müssen wir aufpassen, dass wir Andersdenkenden nicht vorschnell Grundrechte absprechen, zB das Recht sich zu Demonstrationen zu versammeln. Sonst kommen wir in schnell in eine Schieflage. Und 3. sagt er, Demokratie sei die einzige Regierungsform, die wir Menschen lernen und einüben müssen, immer wieder. In allen anderen Regierungsweisen gilt es nur zu gehorchen. Deswegen müssen wir auch den Dialog üben, um auch wachsam zu sein gegenüber denjenigen, die sich andere Regierungsweise wünschen. Dazu gehört für ihn auch der Versuch, mit Männern und Frauen aus dem rechten Spektrum ins Gespräch zu kommen.
Eine Gegenposition nimmt der DEKT ein, und ist dafür auch heftig kritisiert worden. Das Präsidium hat beschlossen, dass nächstes Jahr keine Repräsentant/innen der AfD zur Mitwirkung auf Podien und zu Diskussionsveranstaltungen des Kirchentages in Dortmund eingeladen werden. Zur Begründung heißt es:
„Der Kirchentag ist 1949 gegründet worden, um Menschen zu versammeln, zu bilden und zu stärken, die aus ihrem christlichen Glauben heraus Verantwortung für Gesellschaft und Kirche übernehmen. Er ist gegründet worden, um aus dem Unheil der nationalsozialistischen Herrschaft und dem weitgehenden Versagen der Kirchen zu lernen und ein Forum der Widerstandskraft zu entwickeln, die in der biblischen Botschaft begründet liegt. Mit Blick auf die Gründungsidee des Kirchentages ist in der Frage der AfD Deutlichkeit geboten. Es gibt mittlerweile in der AfD einen fließenden Übergang zum Rechtsextremismus und Verbindungen zu verfassungsfeindlichen Netzwerken.
Respekt und Klarheit sind Kernbestandteile des Kirchentages. Stets wurde in gegenseitiger Toleranz und Respekt über unterschiedliche Meinungen gestritten. Der Kirchentag will all diejenigen stärken, die sich für respektvolle Toleranz und Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen. Das meint aber auch: Keine Toleranz der Intoleranz.“
Zwei unterschiedliche Argumentationen, mit Pegida, AfD und anderen rechten Gruppen umzugehen. Für beide habe ich Verständnis, sie sind für mich nachvollziehbar. Das ist ein Ausdruck gelebter Demokratie, beide Positionen sind möglich.
Nichtsdestotrotz muss auch in der Demokratie geklärt werden, wo die Grenzen liegen. Das erleben wir gerade in der völlig berechtigten und notwendigen Diskussion, ob die AfD vom Verfassungsschutz überwacht werden soll oder nicht.
Solche Diskussionen müssen in der Öffentlichkeit geführt werden. Auf Podien, auf Plätzen, in Veranstaltungsräumen. Das Chorfestival Chöre gegen Rechts ist ein Beitrag in dieser Diskussion, es nimmt Stellung in der Öffentlichkeit, und dazu noch auf sehr sympathische Art und Weise, nämlich mit Musik.
Ich gestehe aber, dass mir der Titel „Chöre gegen Rechts“ nicht ganz so gut gefällt. Warum? Ich will nicht nur gegen Rechts sein. Natürlich weiß ich, was gemeint ist, die Abgrenzung gegenüber Kräften, die eine andere Form gesellschaftlichen Zusammenlebens will und wir erleben gerade weltweit, dass die Sehnsucht nach den starken, alten weißen Männern sehr viel Sympathie genießt. Und es ist richtig, dagegen anzugehen.
Aber: Ich will vor allem für etwas sein.
Ich trete dafür ein, dass zuallererst grundsätzlich in unserem Land jedem Menschen mit Respekt und Wertschätzung begegnet wird, ganz gleich wo er herkommt oder welche Positionen er vertritt. Und dann können wir uns in der Sache streiten, aber erst dann.
Ich trete dafür ein, dass wir ein Wort wieder stärker betonen und ins Bewußtsein rufen, das leider etwas an Strahlkraft verloren hat und aus der öffentlichen Diskussion weithin verschwunden ist: Solidarität. Solidarität brauchen wir auf allen Ebenen unsere Lebens, wenn das Zusammenleben gelingen soll, auf der privaten Ebene, im ehrenamtlichen Engagement, in der Gestaltung von Erwerbsarbeit, in der Ausgestaltung politischer Entscheidungen zur Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft. Solidarität gibt Hoffnung, so lautete einer der Leitsätze, unter der der Strukturwandel bei Stahl und Kohle im Ruhrgebiet in Angriff genommen wurde. Kein Bergmann soll ins Bergfreie fallen, so lautete eines der Grundprinzipien, das auch umgesetzt wurde.
Ich trete dafür ein, Herausforderungen ins Auge zu schauen, auch wenn das erst mal Angst macht. Wir ahnen spätestens seit diesem Sommer, dass der Klimawandel unser Leben dramatisch verändern wird. Das macht Angst. Es hilft aber nichts, wenn zB heute morgen in der HAZ zu lesen war, dass die Vorstöße von Umweltministerin Svenja Schulze nur Teil einer groß angelegten Kampagne seine, die darauf zielt, der Automobilindustrie Knüppel zwischen die Beine zu werfen. So schüre ich die Angst nur noch mehr anstatt die notwendigen Dialoge zu führen. Demokratie ist anstrengend, und die Sehnsucht nach einfachen Antworten, die starke weiße alte Männer verkünden und umsetzen (wollen/sollen), ist groß, löst aber kein Problem. Im Gegenteil.
Ich trete dafür ein, dass wir in unserem reichen Land mit einer trotz aller Mühen funktionierenden Demokratie uns für einen gestalteten Wandel im Blick auf die vielen Herausforderungen einsetzen und nicht abwarten, bis uns Katastrophen welcher Art auch immer zu Aufräumarbeiten zwingen. Wenn nicht ein so reiches Land wie wir, wer denn dann.
Ich höre jetzt auf, obwohl ich noch mehr nennen könnte. Ich möchte nämlich noch was zur Musik sagen, zur Musik als Hilfsmittel in demokratischen Prozessen. Musik ist wunderbar geeignet, Menschen mit einander zu verbinden, auch wenn sie vielleicht den Text eines fremdsprachigen Liedes nicht verstehen. Natürlich gibt es martialische Marschmusik, die Kasernen oder auf Straßen zu hören ist, die meine ich natürlich nicht und im weltweiten Reigen von Musik ist sie auch weit in der Minderheit. Ich meine Musik, die Augen zum Leuchten bringt, die Herzen öffnet, die Füße wippen lässt und Hände klatschen. Dann verstehe ich und wir sind verbunden, auch wenn ich den Text vielleicht nicht verstehe.
Daher finde ich es toll, dass der DGB dieses Festival ins Leben gerufen hat. Dass es nun schon zum vierten Mal stattfindet, ist für mich ein Zeihen, dass einen Nerv trifft. Daher ein Dank an alle, die hier mitorganisiert haben und an alle Chöre. Musik schafft Verbundenheit, Verbundenheit schafft Solidarität, Solidarität gibt Hoffnung.
Ganz richtig, Verstehen ist nicht gleichzusetzen mit einem Einverständnis. Fundierte und so auch erst zutreffende Kritik setzt sogar ein vorheriges Verstehen voraus!
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