Predigt im Einführungsgottesdienst am 14. November 2014
Liebe Gemeinde,
aus Hannover und Emden sind Sie, seid Ihr heute gekommen,
aus Dortmund und Osnabrück,
aus Wetzlar und Berlin,
aus Voerde und Bochum,
und noch aus weiteren Orten.
Familie,
neue und alte Kollegen,
Vertreterinnen von kirchlichen Einrichtungen und Verbänden,
Menschen aus der Erwerbsarbeitswelt.
Uns eint,
dass wir alle arbeiten.
Arbeit, ein bedeutungsschweres Wort.
Emotionen aller Art hängen dran.
Nicht zu fassen, nicht zu definieren.
Nur aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
So ist es auch in unserer biblischen Tradition.
Eine Lehre von der Arbeit kann aus der Schrift nicht gewonnen werden.
Aber verschiedene Erfahrungen haben sich niedergeschlagen.
Und es lohnt, sie miteinander ins Gespräch zu bringen.
Einen provozierenden Text haben wir in der Lesung gehört:
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
Jesus stellt die Frage nach Leistung und Gegenleistung,
nach dem, was wir wirklich brauchen zum Leben.
Ein anderer steht ziemlich am Anfang der hebräischen Bibel:
„Verflucht sei der Acker um deinetwillen,
mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren ein Leben lag
(…) im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen…“
(Genesis 3,17+19)
Lange als Strafe für den Sündenfall interpretiert,
heute eher als Folge desselbigen verstanden.
Leider immer wieder auch mal herangezogen,
um unmenschliche Arbeitssituation zu rechtfertigen:
Da steht es doch –
Mühsam ist alle Arbeit,
was wollt ihr denn,
Hauptsache, Arbeit …
Und es gibt diese Worte aus dem Prediger Salomo, Kapitel 3:
„Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat,
dass sie sich damit plagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit,
auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt;
nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk,
das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes. (…)
So sah ich denn, dass nichts Besseres ist,
als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit;
denn das ist sein Teil.“
(Prediger 3, 10-13.22a)
In besonderer Weise sind wir geprägt von der Sprachkraft Martin Luthers.
Allerdings übersetzt er manchmal eher interpretierend.
So ist hier in der hebräischen Urfassung von Arbeit gar nicht die Rede.
Martin Buber übersetzt:
„So sah ich,
daß da kein Gut darüber ist, (als) daß der Mensch sich seines Tuns freut.“
Und in der Bibel in gerechter Sprache heißt es:
„Ich sah:
Es gibt nichts Gutes, als dass sich die Menschen bei ihren Werken freuen.“
Damit wird an dieser einen Bibelstelle schon das ganze Feld aufgefächert:
Arbeit und arbeiten.
Werke und werken.
Tätigkeit und Tun.
Ich bleibe dennoch an den Worten Luthers hängen:
„So sah ich denn,
dass nichts Besseres ist,
als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit;
denn das ist sein Teil.“
Fröhlich sein in der Arbeit ist unser Teil, nichts Besseres gibt es.
Ich schaue auf das, was mir vor Augen steht, wenn ich an Arbeit denke:
Erwerbsarbeit.
Hausarbeit.
Familienarbeit.
Ehrenamtliche Arbeit.
Strafarbeit.
Schwarzarbeit.
Drecksarbeit.
Zwangsarbeit.
Keine Arbeit.
Und es geht mir wie vielen anderen:
Es ist uns eigen, dass wir hier zumeist Mühe, Anstrengung, Last mithören. Und da sind wir in guter Gesellschaft.
Im Predigttext klingt das ja auch an:
„Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat,
dass sie sich damit plagen.“
Und es gilt ebenso für fast alle europäischen Sprachen.
Ob nun laborare oder labor, travail oder ponos –
alle Worte haben eine Nähe zu:
Unlust, Anstrengung, Schmerz.
Aber, wie Hannah Arendt schreibt, auch zum Wort „Geburtswehen“.
(Vita activa, 428)
Und hier öffnet sich eine Brücke.
Zu Luthers Betonung der Fröhlichkeit als Ziel in aller unserer Tätigkeit.
In kreativen oder auch therapeutischen Schaffensprozessen kennen wir das: Geburtswehen.
Eine Zeit der Anstrengung, manchmal auch des echten Leidens.
Bis das Neue endlich wunderbar hervortritt.
Es gibt also nichts Besseres, als das wir fröhlich sind in unserer Arbeit.
Das hören wir.
Doch:
Ist das so?
Sind wir fröhlich in unserer Arbeit?
An unseren Arbeitsplätzen in Kirche und Wirtschaft?
Am Herd, beim Putzen und kranke Kinder trösten?
In unseren Ehrenämtern?
Und was ist mit denen, die keine Arbeit haben?
Ist das nicht ein schöner Wunsch, der mit der Realität nichts zu tun hat?
Gilt nicht nach wie vor viel eher: „Hauptsache, Arbeit“?
Ist es nicht wichtiger, dass die Leistung stimmt als der Spaßfaktor?
Ist es nicht sinnvoller, auf die Pflichten und Notwendigkeiten zu achten?
Damit getan wird, was nun mal zu tun ist?
Als den Akzent darauf zu legen, dass ich fröhlich meiner Arbeit nachgehe?
Unser Empfinden weist auf den großen Zwiespalt in unserer Welt.
Unsere Welt ist nicht so wie sie sein könnte.
Sie ist nicht so, wie Gott sich uns seinem Schöpfungswerk gedacht hat.
Theologisch nennen wir das Sünde.
Und da kommt gleich wieder die Geschichte mit dem Sündenfall und dem Schweiß des Angesichts hoch.
Arbeit ist mühselig, anstrengend.
Sie muss einfach getan werden, dient unserem Lebensunterhalt.
Das spricht sich auch im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg aus.
Was für ein Leben:
Tag für Tag sich um den Lebensunterhalt sorgen müssen.
Fröhlich sein in meiner Arbeit?
Hauptsache, Arbeit!
Sagen sich die Arbeiter im Weinberg.
Und doch bricht Jesus im Gleichnis mit der Mentalität.
Der Leistungsgedanke wird auf den Kopf gestellt.
Alle bekommen das, was ihnen den Lebensunterhalt sichert.
Nicht entsprechend ihrer Leistung.
Auch da spüren wir, wie es in uns grummelt.
Es passt nicht zu unserem Empfinden.
Leistung muss sich doch lohnen!
Ja, ja …
Aber da gibt es diese vorschießende Liebe Gottes.
Die das Leistungsprinzip umkehrt.
Im Blick auf Gott zählt nicht die Leistung,
Sondern der Glaube an das Geschenk der vorauslaufenden Liebe.
Die mich dankbar und gerne,
wie es bei uns so schön heißt,
zum Dienst an der Nächsten, am Nächsten ruft.
Dienst ist auch nur ein anderes Wort für Arbeit.
Der erlöste Mensch, so Luther, geht fröhlich ans Werk.
Diese aus dem Glauben erwachsene Logik gilt es fruchtbar zu machen.
Und ich sehe in unserer Gegenwart viele Anknüpfungspunkte.
Wir sprechen von entfremdeter Arbeit.
Von Burn-Out und Arbeitsüberlastung.
Von Depressionen und innerer Kündigung.
Von Menschen, die sich in den Familien abrackern, ja aufopfern.
Von Menschen, die darunter zerbrechen, keine Arbeit zu haben.
Oder im Alter gezwungen sind, die Hände in den Schoß legen zu müssen.
De Palette ist riesengroß.
Kein Zweifel, Arbeit ist oft anstrengend.
Und nichts tun können ist fürchterlich.
Auf der anderen Seite fangen Menschen unter uns an,
nach anderen Wegen zu suchen.
Weil sie die Logik des vorherrschenden Systems nicht mehr ertragen.
In der nur Leistung zählt.
Gerade in der jüngeren Generation fragen sich manche:
Was will ich arbeiten?
Wie will ich arbeiten?
Geht es mir um einen Job, um meine Karriere oder um – Berufung?
So fragt Catharina Bruns in ihrem Buch „Work is not a job“.
Und sie schreibt:
„Menschen, die für ihre Sache brennen,
leuchten weit über ihren eigenen Wirkungskreis hinaus
und sind auf diese Weise immer auch Sinnstifter für viele andere. (…)
Wenn wir unsere persönliche Geschichte erzählen
und tun, was uns bewegt,
dann wird es auch all diejenigen bewegen, die unsere Arbeit sehen.
Die erfüllendste Arbeit ist die, die aus ehrlichem, persönlichen Enthusiasmus entsteht.
Die zunächst vielleicht nur dem unmittelbaren Umfeld dienlich sein sollte, sich dann aber für viele als hilfreich erweist.“ (201f.)
Könnten auch Worte evangelischer Sozialethik sein, finde ich.
Und es gibt sie, Menschen, die so arbeiten.
Wenn wir so jemand begegnen, spüren wir das sofort.
Präsenz, Zufriedenheit, Leidenschaft –
manchmal auch eine provozierende Gelassenheit.
Oft werden sie skeptisch beäugt.
Als faul, bequem, nicht leistungsorientiert angesehen.
Weil sie nicht über viel zu viel Arbeit stöhnen.
Oder Hausarbeit toll finden.
Oft werden sie angefeindet, beneidet.
Weil andere an ihnen spüren:
Eigentlich möchte ich so auch arbeiten.
Aber ich kann es nicht.
Warum auch immer.
Da meldet es sich wieder, unser „altes“ Empfinden.
Aber das andere –
die Berufung,
die Begeisterung,
die Leidenschaft in der Arbeit,
dass passt doch zu dem, was wir als Christinnen und Christen, als Kirche, gerade auch als „protestantische“ Kirche zu sagen haben.
Es steht doch schon in der Bibel:
Es gibt nichts Besseres unter ihnen, als fröhlich in seiner Arbeit zu sein.
Gut:
Hauptsache, Arbeit –
Das bleibt auch eine Herausforderung.
Drängend und bedrängend.
Keine Frage.
Mit der wir nicht fertig werden.
Aber alles diesem Ziel unterordnen?
Nein.
Alles dafür in Kauf nehmen?
Nein.
Die Worte des Predigers fordern uns auch heraus:
Fröhlich sein in seiner Arbeit, nichts Besseres gibt es unter ihnen.
Weil aus der Leidenschaft, der Begeisterung Neues entsteht.
Kreativität kommt von creatio, schaffen.
Solche Arbeit ist nicht nur ein Traum.
Menschen erleben es, arbeiten so.
In der Wirtschaft.
In der Kirche.
In der Familie.
Im Ehrenamt.
Sie zu suchen,
uns mit ihnen zu verbinden,
von ihnen zu lernen;
solche Arbeit zu fördern;
und ja,
diese Haltung auch in meiner eigenen Arbeit anzustreben,
damit sie leuchtet, ausstrahlt und ansteckt,
wie Catharina Bruns schreibt,
das ist und bleibt eine Aufgabe.
In Kirche und Gewerkschaft.
Unternehmerschaft und Verbänden.
Ehrenamtsbörsen und Nachbarschaftsförderung,
Und nicht zuletzt in der Politik.
Weil es in der Logik der Liebe Gottes liegt.
Die wir zu verkünden und zu bezeugen haben.
In Wort und Tat.
Für das gute Leben aller.
Dem großen Ziel Gottes für uns.
Amen.
Auch veröffentlicht auf meiner „neuen“ dienstlichen Webpräsenz:
Pingback: Zwischen den Stühlen. Vom Wandern und Wundern | bilder und gedanken
Mit diesen Gedanken gehe ich in meinen heutigen freien Tag. 🙂
Seit einem Monat arbeite ich Vollzeit und in Schichten.
Sehr ungewohnt.
Eine äußerste Flexibilität abfordernde Tätigkeit.
Gedacht, um meinen Lebensunterhalt zu sichern.
Die Arbeit fordert so viel Lebenszeit von mir, dass ich kaum zu etwas anderem komme.
Z.B. zum Nachdenken über solche Blogposts, geschweige denn zum selbst Schreiben.
Dennoch möchte ich es mit dieser Fröhlichkeit versuchen.
Aber es stimmt: Um mich herum, die meisten Menschen, stöhnen unter der Last ihrer Arbeit.
Ich habe auch oft erlebt, dass das gemeinsame Stöhnen und sich gegenseitig versichern, wie viel man zu tun hätte, mehr wiegt oder zu wiegen scheint, als wenn man seine Tätigkeit fröhlich verrichtet – weil man sich bspw. gut strukturieren kann. Prioritäten setzt. Sich nicht verzettelt.
„Ich sah:
Es gibt nichts Gutes, als dass sich die Menschen bei ihren Werken freuen.“
Hallelujah. Das gefällt mir. 🙂
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