Muss man dieses Buch lesen? Kommt drauf an.
Wer wie ich zum Beispiel von Peter Plöger »Einfach ein gutes Leben« gelesen hat oder wer mit den Begriffen Transition-Town-Bewegung oder Futurezwei etwas anfangen kann, der muss dieses Buch nicht lesen, denn er oder sie erfährt nichts Neues.
Das und wie Deutschland immer unsozialer wird, das lese ich jeden Tag in der (Online-) Zeitung oder sehe es im Fernsehen. Die ersten hundert Seiten dieses Buches kann man daher getrost quer lesen. Es gibt ein paar schöne Beispiele aus der empirischen Forschung, die aufgeführt werden, aber der Rest ist bekannt und kommt über manche emotionale Stimmungsmache nicht hinaus. Das ist für mich das Ärgerliche an diesen Buch. Die seitenlange Aneinanderreihung von Rüpeln und Internetrollen, Fernsehsüchtigen und Dränglern auf Autobahnen steht quantitativ in keinem Verhältnis zu den knapp zwanzig Seiten am Schluss, in denen Schindler seine »Gegenvorschläge« präsentiert. Transition-Town-Bewegung und Vertrauen innerhalb kleiner Gemeinschaften, die Einsichten von Elinor Ostrom über Allmende und DORV-Projekte, darüber hätte ich gerne noch mehr gelesen. Oder sagen wir mal so: Auch dies war mir nicht gänzlich fremd und unvertraut. Aber die Gewichtung, die der Autor vorgenommen hat, die gefällt mir gar nicht und legt den Verdacht nahe, dass sich das Buch mit der Vielzahl von Rüpeleien und dem reißerischen Titel vermutlich besser verkaufen lässt als mit einer Ansammlung von Best-Practice-Beispielen. Immerhin listet er am Ende zum Weiterlesen eine Reihe von, wie so schön heißt, »einschlägigen« Internetadressen auf.
Das rettet das Buch am Ende nicht. Zumindest nicht für mich.
Wer aber sich aber neu und erstmals mit der Frage beschäftigen möchte, wie wir denn unser Zusammenleben in Zukunft »gut« gestalten können und auch eine »Gesamtschau« haben möchte, woran und warum es an sozialem Verhalten hapert, der kann getrost zugreifen. Nicht zu viel erwarten und vielleicht auch das eingangs von Peter Plöger geschriebene Buch gleich dazu kaufen. Es ist nämlich – ungewollt, ungeplant – eine Art Fortsetzung. Sinnvoll und notwendig ist die Auseinandersetzung mit diesen Fragen unzweifelhaft – und so ist es dann vielleicht doch gut, dass die Rüpelrepublik auf den Bestsellerlisten weit vorne auftaucht. Wenn es am Ende Menschen anstiftet, ermutigt, doch mal hier und da nach einem Urban-Gardening-Projekt in der Nachbarschaft zu schauen oder eine der offenen Werkstätten aufzusuchen, vielleicht sogar mit zumachen, dann hat sich das Buch doch gelohnt.
»Einfach mal anfangen, etwas anders zu machen« (S. 237), ja, so kann es gehen. Nur so.