wir haben grade nichts zu lachen
halten abstand
äußerlich und innerlich
vertrautes wird unvertraut
gewohnheiten ungewöhnlich
sicher geglaubtes unsicher
die nerven liegen blank
angst breitet sich aus
viel angst
schnürt die kehle zu
ich ziehe mich in mich zurück
betrachte die welt argwöhnisch
und mißtrauisch
wir haben grade nichts zu lachen
im mittelalter gab es ostergelächter
pastoren suchten menschen zum lachen zu bringen
als zeichen für die verrückte österliche freude
derb und drastisch ging es zu
1518 rannte der pfarrer auf allen vieren
durchs mittelschiff
im münster zu basel
quiekend wie ein schwein
andere schnatterten wie die gänse
und witze wurden erzählt
vor allem über sex
in all seinen facetten
lachen bis der teufel weint
die reformatoren fanden das nicht so witzig
johannes oekolampad schimpft
in einem brief an einen kollegen
einer schrie immer kuckuck
ein anderer legte sich auf rindermist
als sei er dabei ein kalb zu gebären
ich verabscheue dieses treiben
knappe antwort seines kollegen
immerhin
hindert das ostergelächter
die leute
vor dem einschlafen
es kam wie es kommen musste
solche praktiken wurden untersagt
irgendwie auch verständlich
nicht jedes gelächter an ostern
ist schon osterlachen
und doch verschwand auch dieses so
aus den kirchen
und aus den herzen der menschen
wie schade
lachen macht die absurdität des lebens sichtbar
und wenn etwas absurd ist
dann doch wohl die osterbotschaft
wir haben grade nichts zu lachen
vieles wird verschoben
auf eine unklare zukunft
in der bangen hoffnung
alles wird wie früher
zugleich schnürt angst die kehle zu
und die ahnung
vergeblich
diese hoffnung
menschen ergehen sich gerade
in sachlichkeit
emotionsbefreit
in aktivismus
hektisch
in zurückhaltung
angestrengt
oder
schweigen
verstummen
frieren ein
wie gelähmt
wir haben grade nichts zu lachen
was aber ist mit ostern
mit der absurden botschaft
leben triumphiert über den tod
hoffnung über hoffnungslosigkeit
zuversicht über verzweiflung
die frauen am grab hatten nichts zu lachen
die jünger unterwegs nach emmaus auch nicht
dafür viel angst
fürchtet euch nicht
hören sie
unglaublich
unerhört
in ihren ohren
doch
sie schauen genau hin
sehen und glauben
ihre augen beginnen zu strahlen
befreit
erlöst
vor freude lachend
kehren sie um
erzählen davon
das ist
absurd
aberwitzig
irrational
irrwitzig
unlogisch
unsinnig
vernunftwidrig
sinnverwandte worte
sagt das wörterbuch
aber es sagt nicht
lachhaft
und schon gar nicht
lächerlich
denn lachen befreit
im lauten ha ha ha löst sich
verkrampfung
die enge
meine angst
erlöstes auflachen wird zur urerfahrung
von gottesbegegung
und gottvertrauen
im ewigen hin und her
zwischen glaube und zweifel
freude und furcht
hoffnung und verzweiflung
und
erlöstes lachen verbindet
sprengt grenzen
überbrückt abstand
schafft anstand
lange habe ich es nicht mehr so gebraucht
herzhaftes
erlöstes
verbindendes
österliches
lachen
ich sehne es herbei
und dann
tanzen wir
gemeinsam
auf den gräbern
von angst
und einsamer verzweiflung
das bild stammt von pixabay (silviarita)
und der text nimmt hinweise auf aus diesem artikel:
https://www.merkur.de/bayern/auferstehung-osterlachens-2826677.html
Zum Osterritual unserer interreligiösen WG gehört dieser Beitrag zum Osterlachen:
Josef von Arimathäe kommt am (Kar-)Freitag
nach Hause. Er ist furchtbar fertig und traurig.
Seine Frau fragt: Was ist denn mit Dir los?
Er: „Jesus ist tot. Sie haben ihn umgebracht“
Sie: „Das ist ja entsetzlich. Klar, daß Du
so fertig bist.“
Er: „Du, ich habe unsere Grabhöhle für ihn
zur Verfügung gestellt. Da liegt er jetzt“.
Sie: „Sag, mal bist Du ganz verrückt geworden.
UN-SE-RE Grabhöhle. Da wollten wir doch auf den
Messias warten. Und jetzt? Die Grabhöhlenpreise in
Jerusalem sind exorbitant. Können wir uns nicht
leisten …“
Er: „Reg Dich nicht auf. Ist doch nur für drei Tage.“
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