Hoffnung zwischen Vision, Vertröstung und Versonnenheit

Peter Jacobsen hat auf seinem Blog (http://nandigan.blogspot.de/) im Juli über mehrere Tage Gedanken zur Hoffnung zur Diskussion gestellt unter der Überschrift:

Leidest DU an der Krankheit, die man HOFFNUNG nennt?

Ein paar Auszüge.

Zu hoffen, dass etwas passiert, ist auch ein Weg zu vermeiden etwas zu TUN, damit es geschieht oder auch nicht. (18.07.)

Warum hoffen wir auf eine bessere Zukunft? (…) Wir befinden uns in einem Zustand der Resignation den Umständen gegenüber so wie sie heute sind. Deshalb hoffen wir auf ein besseres Morgen. Die Hoffnung aber macht uns faul. Es ist viel einfacher zu hoffen, als tatsächlich etwas zu tun, dass das Morgen so werden lässt , wie wir es uns vorstellen. (…) Das Akzeptieren der Dinge, die sind wie sie sind, ist der Anfang davon, Veränderungen, die wir in der Zukunft sehen wollen, einzuladen. (20.07.)

Sich zu sorgen ist eigentlich nur die Angst, dass wir in der Zukunft etwas verlieren könnten, an dem wir im Moment sehr hängen. Wir erschaffen eine Zukunftsvorstellung in der das Gewohnte verloren gegangen ist. Für diesen mentalen Prozess gibt es eine ganze Menge an Rohstoffen. Aus diesen Rohstoffen kreieren wir Ideen und Bilder der visionären Zukunft. Dabei erzeugen wir innere Ängste, die uns davon abhalten in die Handlung zu kommen. (23.7.)

Zu hoffen, dass nichts Schlimmes passiert, ist nichts anderes als die Angst maskiert als Hoffnung. (…) Hoffen heißt dann bestenfalls, dass wir heute für morgen leben und das bedeutet ja nicht wirklich zu leben sondern eher das Leben zu vermeiden. Wann immer wir sagen oder es nur denken: “Ich hoffe…”,sollte es uns aufmerksam werden lassen, ob wir wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um voranzukommen. (24.7.)

Als ich das gelesen habe, habe ich mich geärgert. Und gefragt, warum. Denn: Ich stimme Peter Jacobsen in allen Punkten zu. So kann und wird mit »Hoffnung« umgegangen, ganz sicher und das ist auch schädlich. Die Hoffnung aber als Krankheit zu betrachten, das geht mir dann doch zu weit. Hoffnung ist unverzichtbar, niemand kann nur im Hier und Jetzt leben, das wäre eine ähnliche Verabsolutierung wie das Leben in einer schöneren Zukunft.

Das Zerrbild von Hoffnung, dass Jacobsen entwirft erinnert mich an die Jenseitsvertröstung früherer Generationen. Angesichts von Leid und Ungerechtigkeit wurde gepredigt, dass es im Jenseits einmal besser sein wird, zumindest für die Gläubigen. Unser Gesangbuch bietet viele Beispiele für diesen Geist, der aber auch ein Missverständnis der biblischen Botschaft darstellt, die von einer Abwertung des Diesseits nicht spricht. Das kann ich jetzt hier nicht weiter ausführen. Ich will lieber noch etwas mehr über die Hoffnung nachdenken und wie ich im Unterschied zu Jacobsen formulieren würde.

Hoffnung hat für mich mit Visionen und Träumen zu tun. Und  mit Zielen und Schritten, die ich auf diese Träume hin gehen möchte. Hoffnung bringt in Bewegung, zunächst im Kopf, später auch Herz und Hand. Der entscheidende Unterschied, so empfinde ich das, liegt im Loslassen. Die Bereitschaft zum Loslassen jeden Traums gehört zur Grundhaltung (nicht nur) christlicher Existenz und Hoffnung, sie spricht sich z.B. in dem Bibelwort aus, das für 2013 als Jahreslosung gewählt wurde: »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebräer 13,14). Das mag im ersten Moment wieder nach Jenseitsvertröstung klingen, ist es aber nicht. Christliche Grundhaltung, und ich denke, Jacobsen meint eine ganz ähnliche Haltung, ist geprägt von der Bereitschaft, sich auf das Hier und Jetzt einzulassen, aber auch jederzeit bereit zu sein, (wieder) loszulassen. Das Hier und Jetzt. Die Hoffnungen und Träume. Auch die Lehren aus der Vergangenheit. Denn ich verpasse mein Leben, wenn ich nur in der Zukunft lebe. Ich verpasse mein Leben, wenn ich nur an der Vergangenheit klebe. Und nur im Hier und Heute ohne Ziel und Werte zu exisitieren, macht das Leben sinnlos, weil es nicht weiß, woher es kommt und wohin es geht.

Die Haltung, die mir hier vorschwebt, finde ich in dem wunderbaren Begriff der Versonnenheit, der auf Charles Peirce zurückgeht und eine Übersetzung von »musement« darstellt. Versonnenheit, sinnende und versunkene Nachdenklichkeit.  Versonnenheit nimmt das Hier und Jetzt genauso ernst, wie das was hinter mir liegt und das, worauf hin ich lebe.  Absichtlos-absichtsvolles Hin- und Herwandern von Gedanken und Gefühlen. In der Hoffnung, dass sich Neues für mich eröffnet.

Mehr über mein Verständnis der Versonnenheit gibt es ca. Anfang September zu lesen in einem kleinen Bild- und Textband, den ich derzeit vorbereite und auf http://www.bod.de herausbringen werde.

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