Beatrice Bühler-Sager hat heute früh auf LinkedIn eine Frage gestellt, die sich direkt in meinem Kopf festgesetzt hat:
„Worüber redest du 45 Minuten begeistert? Für welches Thema brennst du?“
Mir war sofort klar, spannende Frage, aber – EIN Thema?
Ich kann mich nicht für eines entscheiden, da gibt es zu viele Themen.
Ich habe nachgezählt und komme auf sieben Themen.
Und habe sie in eine Hitliste gebracht.
Ich kann begeistert reden…
(7) …über meine Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der griechischen Bürgerinitiative O topos mou in Katerini seit 2019.
Leidenschaft für Solidarität mit den Schwächsten in Kombination mit einem klaren Blick für die Regeln, nach denen sich Engagement organisieren lässt – eine Mischung, die ausstrahlt und ansteckt.
(6) …über meine Leidenschaft für Eintracht Frankfurt seit fünfzig Jahren.
Mein Großvater Franz Schnabel, geboren 1905 in Frankfurt, ist „schuld“ daran. Mit Fußball hat meine Herkunftsfamilie nichts am Hut, aber er saß jeden Samstagnachmittag um 15:30 Uhr vor dem Radio. Eine lange Lust- und Leidensgeschichte, in den letzten Jahren mal wieder mehr Lust als Frust.
(5) …über die wunderbare Kraft optimistischer Zukunftsszenarien im Sinne Harald Welzers.
Hinreichend anschauliche und optimistische (nicht blauäugige!) Szenarien zu entwickeln macht im Kopf beweglich, während Apokalyptik das Gegenteil bewirkt.
Etwa 2014 wurde ich auf Welzer und seine Stiftung Futurzwei aufmerksam. Seine Methodik der Zukunftsszenarien hat er mehrfach beschrieben. Ein Buch von mir ist daraus entstanden: Zeitsprung – Gemeinde 2030: Erzählung aus der Zukunft der Kirche.
(4) …über Segen und Fluch, hochbegabt zu sein.
Ein noch relativ neues Thema, das mich persönlich, in der Familie und im Blick auf die Gesellschaft bewegt: Was wäre, wenn alle Hochbegabten ihre Potenziale entfalten könnten?
Die Frage hängt eng mit (5) zusammen, aber auch mit der Frage, warum das in Deutschland alles so schwer ist mit der Begabungsförderung.
(3) …über Sinn und Unsinn des Begriffs „New Work“ im ursprünglichen Verständnis von Frithjof Bergmann.
Meine Frau und ich haben Frithjof 2012 kennengelernt, eine Begegnung, die unser Leben verändert hat, denn die Frage treibt mich nach wie vor um, persönlich wie gesellschaftlich: „Was wäre eine Arbeit, die du wirklich wirklich willst?“
(2) …über den Zusammenhang von Spiritualität und Religion.
Auch ein neues Thema, das mich bewegt. Ausgelöst durch die Tatsache, dass ich als evangelischer Pastor seit einiger Zeit angehenden Erzieher:innen Religionsunterricht geben darf. Die Unterrichtsstunden mit den (zumeist) jungen Frauen und Männern sind für mich ein wahrer Quell der Erkenntnis.
(1) …über die Stärke schwacher Beziehungen.
Mark Granovetters berühmter Aufsatz The Strength of Weak Ties, in der er der Frage nachgeht, welche Rolle die sog. „schwachen“ Beziehungen in der (Weiter-) Entwicklung von Netzwerken spielen und wie diese gefördert, gebaut, gepflegt werden können, traf vor zwei Jahren bei mir auf volle Zustimmung.
Denn Granovetter beschreibt wissenschaftlich, was ich schon lange wusste oder ahnte. Denn er erklärt u.a. die Leidenschaft für eine meiner liebsten Tätigkeiten – mich mit Menschen im Café auf einen Kaffee zu verabreden und neugierig zu schauen, was passiert.
Ausführlich reflektiert habe ich dieses Thema in einem Essay in dem Buch, das Christine und ich gemeinsam geschrieben haben: Den Wandel wagen – Widerstände überwinden auf dem Weg in eine bessere Zukunft.