The End of Men von Christina Sweeney-Baird (Rezension)

Ein Virus taucht unvermittelt in einem Ort in Schottland auf und breitet sich rasend schnell über die ganze Welt aus. Es tötet nur Männer, aber von diesen 90 Prozent. Frauen können es zwar übertragen, erkranken aber nicht selbst. Die Folgen sind global und katastrophal.

Das ist in vier Sätzen der Plot des Romans „The End of Men“ von Christina Sweeney-Baird. Wer meint, da hätte die Autorin einfach die Corona-Pandemie als Vorlage genommen, um Kasse zu machen, irrt. Denn das Manuskript war bereits vor Ausbruch der Pandemie praktisch fertig.

Umso irritierender und erschreckender ist für mich, dass sich das Buch über weite Strecken so liest, als wäre Corona nicht in Wuhan, sondern eben an der schottischen Küste ausgebrochen. Die Verhaltensweisen von Personen, Behörden und der Politik ähnelnd frappierend der Situation im Frühjahr 2021. Noch beeindruckender finde ich die einfühlsame Beschreibung der Gefühlszustände der Protagonisten. Das Buch ist episodisch aufgebaut, eine Handvoll Frauen taucht immer wieder auf, andere einmal oder nur hier und da. Die erste Hälfte des Buchs zog mich vor allem deshalb in Bann, weil ich viele Geschichten und Emotionen wiederfand in vielen Einzelschicksalen, wie sie auch unter Covid-19 beschrieben wurden und werden – und ich die Angst, die Trauer, die Depression, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit und das staunende Entsetzen nachvollziehen konnte. Gefühle, die ich auch selbst empfunden habe und empfinde in diesen Monaten, auch wenn Corona selbst bislang einen weiten Bogen um mich geschlagen hat.

Wobei, die Fiktion ist noch um ein vielfaches grausamer als Covid-19. Am Ende sind eben 90 Prozent aller Männer tot und sie sterben innerhalb weniger Stunden, nachdem die Krankheit sich durch Fieber ankündigt und ausbricht. Es geht unter die Haut, wenn sich ein Mann von seiner Frau verabschiedet und sich ins Obergeschoss begibt, um dort alleine zu sterben, in der Hoffnung, dass das Virus so seinen Sohn verschont – dieser dann Wochen später aber ebenso dahin gerafft wird und diese Frau wie unendlich viele als kinderlose Witwe weiterleben muss. Das ist eine Stärke dieses Buchs, in solchen Episoden Schicksale fokussiert aufblitzen zu lassen. Einmal schildert Christina Sweeney-Baird die Verhältnisse auf einer Geburtsstation und die Grenze zwischen Jubel (es ist ein Mädchen!) und Verzweiflung (O Gott nein, es ist ein Junge!). Eine verprügelte Ehefrau ist entsetzt, als sich ihr gewalttätiger Ehemann als immun erweist – kurzerhand bringt sie ihn um und lässt die Umstände erscheinen, als sei er an der Pandemie verstorben, denn diejenigen, die sich um die Beseitigung der Leichname kümmern, sind zu stark belastet durch die extremen Zahlen, um die Angabe der Ehefrau in Zweifel zu ziehen, es reicht, ein Fieberthermometer auf den Nachttisch zu legen…

Im zweiten Teil verlagert sich die Lektüre von dem Gefühl, ganz nah dran zu sein hin zu dem Eindruck, dass es sich eben doch um eine Fiktion handelt. Denn die Autorin führt die Linien konsequent unter der Fragestellung aus, wie eine Welt ohne Männer aussieht. Ja, eine Impfung wird möglich, aber zu spät für die allermeisten Männer. Frauen übernehmen Positionen und Berufe, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Es gibt Auseinandersetzungen um die Frage, welche Frauen für eine künstliche Befruchtung infrage kommen, also wie genau soll das vorhandene und tiefgefrorene Sperma verteilt werden, das eben nur begrenzt vorhanden ist und an Nachschub ist nicht zu denken. Und wie geht das mit der Liebe? Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf schwule Männer? Und so weiter und so fort, am Ende ist der Ausbruch fünf Jahre her und auch die iPhone-Produktion läuft wieder reibungslos, aber die Größe der Displays und der Tasten orientiert sich jetzt eben an Frauenhänden, weil sie den Markt beherrschen und nicht mehr Männer. Die Kriterien haben sich verschoben, global und umfassend, nicht nur bei der Größe des Smartphones.

Das Buch ist bislang nur auf Englisch erschienen, auf Amazon gibt es reichlich Rezensionen, deswegen verlinke ich ausnahmsweise mal dorthin und so kann auch ein Blick ins Buch geworfen werden: https://www.amazon.de/End-Men-Christina-Sweeney-Baird/dp/0008407932/ref=tmm_pap_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=

Christina Sweeney-Baird ist auf Twitter aktiv: https://twitter.com/ChristinaRoseSB

Ein Gedanke zu “The End of Men von Christina Sweeney-Baird (Rezension)

  1. Wie wäre eine Welt ohne Männer – das ist so eine hypothetische Frage, die unter Feministinnen des 20. Jahrhunderts immer wieder gestellt, nicht selten mit etwas träumerischen Vorstellungen dann versehen wurde. 😉 Bei diesem Buch frage ich mich, was ist das eigentliche Thema? Letzteres oder wie eine Gesellschaft und Individuen auf eine Pandemie reagieren?

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