Spätestens seit unsere Tochter in Berlin wohnt, sind wir, bin ich immer mal wieder in der Stadt. Überwiegend mit der Bahn, Auto kannst du ja vergessen. Damit aber nehme ich Berlin aus der Sicht von U- und S-Bahn-Stationen war. Es ist wie so eine U-Bootfahrt, du bewegst dich unterirdisch fort und tauchst hier und da mal auf. So finde ich mich in Berlin mittlerweile auch ganz gut zurecht – aber als leidenschaftlicher Radfahrer habe ich mich schon länger gefragt, wie wäre es, Berlin mit dem Rad zu erkunden?
In dieser Woche war es so weit. Dienstag angereist, übernachten konnte ich bei meiner Tochter am Prenzlauer Berg, so dass ich am Mittwoch in der Früh bei frischem, aber ganz guten Wetter den „Berg“ hinunter Richtung Volkspark Friedrichshain und durch diesen hindurch rolle.
Von dort aus überquere ich die Karl-Marx-Allee.
Erstes Ziel ist die East-Side-Gallery. Leider stehen mittlerweile überall Gitter vor den Kunstwerken, meine Tochter meinte, aus Reinigungsgründen. Was mir allerdings neu war – auch auf der Rückseite finden sich jede Menge Zeichnungen.
Anschließend rolle ich eine Zeit lang auf der Suche nach dem „richtigen“ Foto um die Oberbaumbrücke herum, bevor ich durch Kreuzberg fahre.
Irgendwann stehe ich in einem kleinen Park plötzlich in einer blütenüberschwemmten Galerie mit betörendem Duft…
Ich mache einen kleinen Abstecher zu den Prinzessinengärten. Dieses Urban-Gardening-Projekt hatten wir schon einmal im Sommer besucht, jetzt Anfang Mai ist noch nicht viel los. Dennoch ist es faszinierend, was die Initiative auf die Beine stellt.
Danach geht es Richtung Süden aufs Tempelhofer Feld zu. Dieses durchquere ich ein paar Mal von oben nach unten und finde zwei kleine Nachbarschaftsgärten. Mutig, so mitten auf dem Feld, ohne Zäune.
Mitten auf dem Feld habe ich dann aus lauter Lust und Freude noch ein kleines 360-Grad Video gedreht.
Ich fahre weiter nach Süden, komme am Tempelhofer Hafen vorbei und finde dann den Radweg am Teltowkanal. Diesem folge ich lange Richtung Teltow. Zum Teil schöne Wohngegenden, es fällt mir schwer mir vorzustellen, dass Berlin-Mitte keine zehn Kilometer entfernt ist.
In Teltow verlasse ich den Radweg am Kanal für kurze Zeit, weil ich einen Blick auf das Evangelische Diakonissenhaus Berlin-Teltow-Lehnin werfen möchte. Vor vier Jahren wäre ich hier fast mal Pfarrer geworden, nach einem spannenden Bewerbungsverfahren.
Weiter geht es dann Richtung Kleinmachnow und Stahnsdorf, mit teils sehr schlechten Radwegen. Auch das Wetter ist nicht mehr so gut, es hat sich zugezogen, bleibt aber angenehm warm. Ich besorge mir etwas zu essen und beschließe, erst mal auf dem Radweg an der Hauptstraße Richtung Potsdam weiter zu fahren. Die Lust auf Fotos sinkt bei der Bewölkung sowieso und so durchquere ich auch Babelsberg und Potsdam ohne einmal die Kamera aus der Tasche zu nehmen. An der geschichtsträchtigen Glienicker Brücke muss ich aber halten.
Überraschend geht es Richtung Wannsee erst mal längere Zeit bergauf. Ich riskiere den einen oder anderen Blick auf den See, dann bin ich schnell in Nikolaiort und komme auf die Fahrradstraße, die direkt an der Autobahn durch den Grunewald führt. Heißa, endlich fliege ich mal mit Tempo dahin, der Wind kommt auch schön von hinten und auf der breiten Straße ist mit 30 km/h der Grunewald schnell durchquert.
Ab dem Funkturm wird es dann eklig. Viel Radverkehr. Ich muss mich sehr konzentrieren, schließlich habe ich schon achtzig Kilometer in den Beinen. An der Siegessäule mache ich noch ein Foto.
Und auch noch mal am Beginn der Bernauer Straße.
Nach siebenundachtzig Kilometern schiebe ich mein Rad dann in den Hinterhof des Hauses, in dem meine Tochter wohnt.
(P.S. An der Siegessäule war der Akku vom Handy leer…)
Am Donnerstag fahre ich den Mauerweg zunächst in umgekehrter Richtung bis zum Hauptbahnhof und suche dann einen Zugang zum Radweg an der Spree. Auf diesem muss ich ein paar mal hinüber und wieder zurück, aber das ist eine tolle Ecke. Vor allem das Holsteiner Ufer spricht mich sehr an.
Schließlich erreiche ich über die Osnabrücker Straße (!) den Schlossgarten von Schloss Charlottenburg.
Vom Schloss ist aber nur wenig zu sehen, es wird gerade umfassend restauriert und ist ziemlich eingepackt. Hier und da gelingt mir dann aber doch ein unverstellter Blick.
Weiter geht es auf einem entnervenden Radstreifen (ich sage nur: Baumscheiben!!) Richtung Spandau. Als ich einen Hinweis auf das Olympiastadion sehe, mache ich einen kleinen Abstecher. Schon imposant, die Anlage, leicht erhöht, ich kann schon verstehen, was die Erbauer damit signalisieren wollten…
In Spandau halte ich mich an der Havel und verzichte auf einen Abstecher in die Altstadt. Vom Flair her gefällt mir der Stadtteil, vielleicht komme ich da noch mal mit mehr Zeit hin. Denn so richtig einschätzen kann ich nicht, wie lange ich noch für den Rückweg brauche. Ich komme an einem verfallen(d)en Lagergebäude vorbei, dass irgendwie eine Faszination auf mich ausübt.
Über eine Brücke mit schönen Aussichten geht die Fahrt und nun beginnt das endlose Anrauschen der Flieger, die den Flughafen Tegel ansteuern.
Je näher ich dem Flughafen komme, desto lauter werden die Flugzeuge, eins rauscht mal ziemlich niedrig über mich hinweg.
Ich nehme einen Waldweg und in Kauf, dass der vom Belag her nicht so toll ist. Aber die Ruhe entschädigt, zumal hier von den Fliegern nichts mehr zu hören ist. Es gibt sogar einen kleinen See, den Flughafensee. Hier kann man die Richtung Osten startenden Flugzeuge davon ziehen sehen.
Der Rest ist nicht spaßig. Schlechte Radwege, Verkehr, ungenaue Ausschilderung. Ich verfahre mich ein paar Mal, bis ich dann endlich einen Hinweis Richtung Schönhauser Allee lese. Jetzt kenne ich den Rest, einmal noch ein kurzer Stopp an der Gethsemane-Kirche.
Nach genau fünfzig Kilometern bin ich wieder zurück.
Mein Zug zurück nach Osnabrück geht erst um sieben, so dass ich nach Dusche, Mittagessen und einem kleinen Nickerchen alles zusammenpacke und Richtung Mitte rolle. Durch das Brandenburger Tor muss ich einfach mit dem Rad hindurch fahren, danach durchquere ich noch ein wenig die Gegend zwischen Tiergarten und Bundestag, bis es eben Zeit ist, das Rad auf den Bahnsteig zu schieben.
Fazit: Es hat sich gelohnt, absolut. Es war ein Versuch, ich wollte die Frage beantworten, ob mir das Spaß machen könnte und die Antwort lautet: Ja. Gut möglich, dass ich das nächstes Jahr wiederhole und dann vielleicht die Strecken genauer plane. Ich war von der Fülle der auch nicht wirklich gut beschriebenen Radtouren durch Berlin, die ich im Netz gefunden habe, einfach erschlagen. Trotzdem: Ich habe viel gesehen auf meinen hundertfünfzig Kilometern an zwei Tagen mit dem Rad in Berlin.
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