Zwischen all den Weihnachtsvorbereitungen, Predigtentwürfen, Krippenspielproben und anderem mehr habe ich in diesen Tagen das gerade erschienene Büchlein von Margrit Kennedy »Occupy Money« gelesen. Auf nicht einmal hundert Seiten versucht die seit Jahren anerkannte Geldexpertin ihre Kritik am heutigen Geldsystem zu benennen und Alternativen aufzuzeigen.
»Ich will ein Buch für Laien schreiben, weil nur sie eine Veränderung herbeiführen können. Die Proteste an der Wall Street, die sich inzwischen zu einer weltumspannenden Bewegung entwickelt haben, waren ein erstes und notwendiges Aufbegehren. Fachleute hingegen (…) interessieren sich nicht dafür, ob die große Mehrheit versteht, was passiert. Mit Dachausdrücken, Formeln, und einer Sprache, die nur ihresgleichen versteht, verklausulieren sie die tatsächlichen Sachverhalte. Ein Grund dafür ist: solange das Spiel weitergeht, verdienen sie immer daran – selbst an dem Chaos, das sie anrichten. Wie es um diejenigen steht, die die Zeche bezahlen, interessiert sie nicht.« (13f.)
Im ersten Kapitel erklärt Kennedy anschaulich und einfach den Systemfehler im Geldsystem: den Zins. Irgendwie hatte ich vieles davon schon einmal gehört, aber auf wenigen Seiten gelingt es ihr, einen Gesamtzusammenhang darzustellen. Bei mir stellte sich der ein oder andere »Aha-Effekt« ein. Das ganze gipfelt in der Frage, warum dieser Fehler nicht behoben wird. Die Antwort ist eine doppelte:
»Wir befinden uns in einem Denkgefängnis, weil wir annehmen, das herrschende Geldsystem sei das einzig mögliche.« (35)
Und damit eng verbunden ist die Tatsache, dass
»Geld heutzutage wichtiger ist als Wasser, Ernährung und ein Dach über dem Kopf. Denn all das bekommt man nur mit Geld. Wer das Geld in Frage stellt, stellt zugleich sein Überleben in Frage.« (35)
Als ich das las, fühlte ich mich daran erinnert, wie ich 2007 Frithjof Bergmanns Buch: »Neue Arbeit, neue Kultur« las, in dem er unser heutiges (Lohn)-Arbeitssystem mit einem fahrenden Zug vergleicht, der dem Abgrund entgegen rast, aber die Türen sind verschlossen, niemand traut sich auszusteigen oder abzuspringen…
Denkgefängnisse zu erkennen ist das eine, aber was folgt daraus? Das heutige System mit seinen unglaublichen Schulden scheint dem Untergang geweiht, niemand wird all diese Kredite jemals zurückzahlen. Und wer sich verweigert, wird aus der sogenannten internationalen Gemeinschaft ausgegrenzt, siehe Island. Gott sei Dank bleibt Kennedy aber nicht bei der düsteren Analyse stehen, sondern zeigt im zweiten Kapitel Wege aus der Geldkrise. Diesen Abschnitt fand ich hoch spannend und anregend, er verhinderte denn dann doch die vorweihnachtliche Depression angesichts der Zustand des globalen Finanzsystems.
Kennedy plädiert dafür, verschiedene alternative Bezahlsysteme, die auf Zins in der heute üblichen Form verzichten, parallel zum heutigen Geld zu entwickeln und einzuführen. Von den meisten Beispielen, die sie hier anführt, hatte ich auch schon gehört: JAK-System, Standgebühr, Zeitbanken, Regionalgeld u.a.. Aber »Klick!« hat es in meinem Kopf gemacht, als ich diese Zeilen las:
»So wie wir nicht nur einen universalen Haustyp haben, der allen Zwecken dient (…) brauchen wir auch spezifische Geldmodelle für unterschiedliche Zwecke. Vermutlich werden Sie eines Tages nicht mehr nachvollziehen können, warum Sie ihr Kind mit derselben Währung zur Eisdiele schickten, mit der sie auch Autos aus Japan kaufen konnten.« (51)
Von da ratterten meine Gedanken im Gehirn. Denn wenn auch Kennedy nicht verschweigt, dass es rechtliche und andere Probleme bei der Einführung solcher alternativen Währungen gibt, erfolgreiche Beispiele gibt es auch, wie z.B. den Chiemgauer. Also, funktionieren kann das.
Im letzten Abschnitt spricht sie sich für einen Übergangsprozess aus, der aus ihrer Sicht damit verbunden sein muss, die Macht, die heute in den Händen weniger liegt, zurück zu geben an »kleine Organisationseinheiten«. Kennedy setzt ihre Hoffnung auf den gegenwärtigen Meinungsbildungsprozess, der sich mit dem Begriff »Occupy« verbindet, das zeigt schon der Titel ihres Büchleins:
„Ich beobachte mit Freude, dass dei weltweite basisdemokratische Bewegung der Jugend das Geldthema als einen der wesentlichen Bestandteile ihrer Reformforderungen erkennt, und hoffe, sie setzt es durch, dass aus der Vision neuer Geldentwürfe Realität wird“ (91)
Mut macht ihr bei allen Schwierigkeiten und Problemen eine neuere Untersuchung:
»Die meisten Menschen glauben, dass sich Veränderungen nur herbeiführen lassen, wenn eine Mehrheit sich dafür einsetzt. Dem ist aber nicht so. Wenn nur 10% der Bevölkerung etwas verstehen und sich deshalb anders verhalten, folgen alle anderen nach, wie die Ergebnisse eines amerikanischen Forschungsprojekts belegen.« (14, Hervorhebungen von mir).
Das ist doch mal eine Perspektive!
Ökonomischen Laien wie mir, die Tag für Tag ratlos und kopfschüttelnd vor der Zeitung sitzen angesichts der Zahlen mit den endlos vielen Nullen, kann ich das Buch von Margrit Kennedy nur ans Herz legen.
Die Studie »Social consensus through the influence of committed minorities«, auf die sich Kennedy bezieht, ist hier zu finden (allerdings mit vielen mathematischen Formeln, und da bin ich erst recht Laie):