Eine Glaswand.
Näher kommen wir nicht ran.
Will ich auch überhaupt nicht.
Denn dahinter sieht es so aus wie ich mir die Hölle vorstelle.
Ein riesiger Kessel.
Feuerflammen.
Goldgelber flüssiger Stahl.
Kochendheiß muss es da drin sein.
Lange stehen wir da.
Unser Gesprächspartner erzählt und erklärt.
Alles spannend und interessant.
Aber so richtig höre ich nicht zu.
Immer wieder gleitet mein Blick zur Glaswand.
Diese Bilder von schier entfesselten Gewalten reichen mir und brennen sich tief ein.
Wir sind im Stahlwerk in Georgsmarienhütte.
Wir, das ist eine kleine Gruppe.
Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier.
Der Superintendent des Kirchenkreises Hans-Georg Meyer-ten Thoren.
Einige weitere Frauen und Männer aus dem Kirchenkreis.
Und ich als Pfarrer im KDA (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt).
In der evangelischen Kirche gibt es Visitationen.
Gemeinden werden visitiert, besucht.
Und auch Kirchenkreise.
Gemeinsam schaut man sich an, was sich in den Gemeinden tut.
Was gut läuft, wo sich Herausforderungen stellen.
Auch das Umfeld ist im Blick.
Ein Betriebsbesuch gehört häufig zu einer Visitation.
Deswegen sind wir heute hier.
Denn die Landessuperintendentin visitiert in diesem Jahr den Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte.
Als ich gefragt wurde welches Unternehmen ich vorschlagen würde, habe ich nicht lange gezögert.
Das Werk gehört zur Tradition der Gegend, hat sie mit geprägt.
Seit König Georg V. und seine Frau Marie es am 14. Juli 1856 gründeten.
Die gleichnamige Stadt wurde erst später daneben gebaut.
Zugleich ist das Unternehmen in besonderer Weise an ökologischen Fragestellungen dran.
Arbeitsdirektor und Geschäftsführer Personal Prof. Dr. Felix Osterheider erklärt uns:
Dieses ist das einzige umweltzertifizierte Stahlwerk in Deutschland.
Daher ist hier alles nur Schrott.
Eingeschmolzen und zu speziellen Stahlen verarbeitet, überwiegend für die Automobilindustrie.
Kein Roherz kommt in die Kessel.
Und darum herum wird gekämpft, den riesengroßen Strombedarf zu reduzieren.
Denn hier wird mit Strom Stahl gekocht.
Daher macht die Stromrechnung den Löwenanteil der Kosten aus.
Das Personal, sorry!, fällt nicht ins Gewicht.
Aber das heißt nicht, dass die Mitarbeitenden hier schlecht behandelt werden.
Im Gegenteil, die sehr spezifische Mentalität von Stahlkochern wird geachtet und geschätzt.
Zugleich kämpft die Geschäftsführung darum, das Image zu verändern.
Um die Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erhalten und zu verbessern.
Nicht immer einfach, dieser Spagat zwischen Tradition und Aufbruch, so hören wir.
Zurück zu den Stromkosten.
Recycling ist nicht nur das Stichwort im Blick auf den Schrott.
Auch die Abwärme wird genutzt.
Kleinigkeiten bringen vielleicht nur 0,5% Verbesserung.
Bei dem Volumen, was hier umgesetzt wird, sind solche Winzigkeiten aber kein Pappenstiel und lohnen sich.
Und nicht nur beim Strom.
Auch bei der anfallenden Schlacke wird intensiv überlegt und geforscht, wie sie sinnvoll weiter genutzt werden kann.
Denn Deponiekosten sind teuer.
Und so weiter und so fort.
All das schildert uns bei einem Rundgang Dr. Henning Schliephake, der Geschäftsführer Technik.
Nach drei Stunden verlassen wir nachdenklich das weitläufige Gelände.
Mit seinen teils sehr alt aussehenden Gebäuden.
Aber hinter der bieder und langweilig aussehenden Fassade verbirgt sich ein hochmodernes Unternehmen.
Das Engagement der Mitarbeitenden hat uns beeindruckt.
Nicht nur der glühend heiße Kessel mit dem goldgelben Stahl.
Alles nur Schrott?
Alles nur Schrott.
Gruppenfoto mit Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier (4. v. r.), Superintendent Hans-Georg Meyer-ten Thoren (2. v.r.) und Dr. Henning Schliephake (3. v. l.).
Die Fotos wurden uns mit freundlicher Genehmigung der Georgsmarienhütte GmbH zur Verfügung gestellt.