Sie: Sag mal Schatz, wolltest du nicht Fußball gucken?
Er: (schaut auf) Oh, ja, stimmt … Aber ich bin ganz in dem Buch hier versunken, das du letztens mitgebracht hast. Aber jetzt bin ich grade fertig mit dem Lesen.
Sie: (überrascht) Du liest die „Kleine Geschichte des Feminismus“?! Okay, ist ja ein Comic mit vielen Bildern… (grinst)
Er: (lacht) … ja, klar. Aber mal im Ernst, das Buch ist doch super gemacht, kurz, knackig, informativ. Und die Bilder sind auch klasse. Und manchmal humorvoll, ich hab schon ein paar mal schmunzeln müssen. Der empörte Paulus, weil die Frauen einfach nicht schweigen wollen in der Gemeinde, da musste ich sogar laut lachen.
Sie: Stimmt, das Augenzwinkern ist mir auch aufgefallen. Und nicht nur die Männer bekommen immer wieder eins über, Selbstironie ist auch dabei. Zum Beispiel bei der Ikone der Frauenbewegung, Simone de Beauvoir, wo die Frauen vor einem Altar mit ihrem Bild knien … Finde ich gut, dass die Geschichte nicht staubtrocken daher kommt. Ich dachte ja, ich wüsste schon eine Menge über Feminismus, aber da waren so einige Namen dabei, von denen habe ich noch nie gehört.
Er: Richtig gut fand ich die Einteilung in Epochen und Themen. Immer so auf vier bis sechs Seiten, Bild und Text, die Thesen der Frauen auf das Wesentliche reduziert und auf den Punkt gebracht. Da kann ich mir was drunter vorstellen.
Sie: (nickt) Ging mir auch so. Mir wurde noch mal vor Augen geführt, Feminismus hat schon eine lange Geschichte. Und widersprüchlich ist sie auch, das haben Antje Schrupp und Patu nicht verschwiegen. Was hat dich denn so richtig überrascht?
Er: Ganz neu war mir, dass mit der Auflösung der Frauenklöster in der Reformation zugleich auch eine Menge an weiblicher Tradition und Lebensweise verloren ging. Bislang hatte ich das eher auch als eine Befreiungsgeschichte gelesen, die Frauen durften wie die Männer die Klöster verlassen und heiraten. Aber wie so oft sind sogenannte Fortschritte in der Menschheit mit neuerlichen Nachteilen für Frauen verbunden. Da hat sich ja bis heute kaum etwas geändert. Umso spannender fand ich das Buch „Stadt der Frauen“ von Christine Pizan, in der Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer. Geschrieben 1405! Noch vor der Reformation!
Sie: Von ihr hatte ich auch nie gehört. Schon irre, so modern.
Er: Und du, was ist dir besonders aufgefallen?
Sie: (überlegt kurz) Ich fand es sehr erschreckend, wie viel Rassismus es in Geschichte der Frauenbewegung gab. Ist doch verrückt, statt sich zu solidarisieren, unterdrückt man sich noch gegenseitig. Die Männer werden sich die Hände gerieben haben. Beeindruckend fand ich es, von Audre Lord und Angela Davis zu lesen, die dagegen ankämpften. Gut, dass das hier nicht ausgeklammert wird.
Er: Frauen sind ja auch nicht die besseren Menschen … Ich fand es bedrückend, dass sich der Trend zur Abwertung bis heute durchhält. Ich beobachte diese kleinen, diffizilen Spitzen gegen Frauen ja auch immer wieder. Auch bei Männern, die sich eigentlich als aufgeklärt bezeichnen. Naja, die gesellschaftlichen Prägungen sind allgegenwärtig, wenn ich ehrlich bin, finde ich sie auch in mir … So richtig ermutigend oder auch entspannend fand ich aber am Ende die Beschreibung der „dritten Welle“ des Feminismus.
Sie: Du meinst das mit der Ablehnung des Dogmatismus?
Er: Genau. Wie war das noch? Moment … (blättert) „Sie lehnen die Idee einer prinzipiellen Gegnerschaft zwischen Frauen und Männern ab, kritisieren ’natürlich‘ Vorstellungen von Weiblichkeit, sind skeptisch gegenüber traditionellen Formen der Politik und bevorzugen stattdessen lockere Formen der Vernetzung, zum Beispiel über das Internet. Sie agieren stärker im Bereich von Kultur und Medien und reagieren empfindlich auf jede Art Dogmatismus.“ Und dann sieht man zwei junge Leute fernsehen, Frau und Mann, sie meint: „Boah, sexistisch ist das aber schon.“ Und er antwortet: „Ja klar, aber man kann sich ja nicht den ganzen Tag aufregen.“ Das finde ich gut, so entspannt, die Haltung.
Sie: Sehe ich auch so. Dogmatisch aufgeladene Diskussionen führen zu zu nix außer Ärger. Obwohl, eine klare Kante ist manchmal auch schon nötig. Aber im tagtäglichen Miteinander ist so eine, wie soll ich sagen, „un-moralische“ Haltung vielleicht hilfreicher als die Keule. Humor transportiert ja auch Botschaften. Bleibt abzuwarten, die Geschlechterfrage ist ja nach wie vor offen und ungeklärt.
Er: Und sie stellt auch uns Männer vor Fragen. Wer bin ich als Mann in der Gegenwart? Das habe ich mich beim Lesen immer wieder gefragt. Grade weil mir manches unter die Haut gegangen ist, wenn ich sehe, was Männer Frauen im Lauf der Jahrhunderte alles so angetan haben.
Sie: Und, hast du auch Antworten erhalten?
Er: Antworten, hm … Ne, nicht so direkt. Aber ich dachte, dass was auf der Rückseite des Buches steht, das gilt auch für uns: Feminismus ist kein festgelegter Inhalt von Politik, sondern ein Beitrag zu den gesellschaftlichen Debatten der jeweiligen Zeit. Und dann heißt es weiter im Blick auf die beschriebenen Feministinnen: „Allen gemeinsam ist ihnen die Liebe zur weiblichen Freiheit. Ihr Beispiel zeigt, dass Feminismus nichts ist, was man ‚lernen‘ kann, sondern die Herausforderung, sich selbst eine Meinung zu bilden und persönlich dafür einzustehen. Dazu ist es aber wichtig, die Geschichte zu kennen und sich von vergangenen Debatten inspirieren zu lassen.“ Das gilt doch auch für uns Männer.
Sie: Klar. Ihr müsst aber auch mit eurer Geschichte befassen … Ich finde es echt super, dass dir das Buch so gut gefällt.
Er: Ich finde es toll. Grade der Charme einiger Bilder, die eine ganz harte Geschichte auflockern. Das führt bei mir dazu, dass ich mich nicht verängstigt, verärgert, getroffen – keine Ahnung – ins Schneckenhaus zurückziehe, sondern anfange, nachzudenken.
Sie: Da sind wir uns dann ja mal ganz einig: Ich finde das Büchlein auch gut geeignet, sich nicht nur einen Überblick zu verschaffen, sondern auch miteinander ins Gespräch zu kommen.
Er: Gibt es denn auch etwas, was dir nicht so gut gefallen hat?
Sie: Ich habe mich gewundert, dass es überhaupt keine Info´s zu den Autorinnen gab. Erst auf der Verlagswebsite bin ich fündig geworden. Und ein kleines Literaturverzeichnis hätte ich auch ganz schön gefunden. Aber das hätte vermutlich den Rahmen gesprengt.
Antje Schrupp, Patu: Kleine Geschichte des Feminismus im euro-amerikanischen Kontext. Unrast Verlag. ISBN 978-3-89771-568-4, 9,80 €