I have a dream

Vor ein paar Tagen waren wir in Eisenach auf der Abschlussfahrt.
Mit denen, die in diesem Jahr ihre Ausbildung im Pestalozzi-Seminar als Erzieher:in beenden.
Abends saßen wir in einer Runde zusammen.
Tranken Cocktails, erzählten und lachten.
Ich schaute in die Runde und dachte:
Was für tolle, engagierte und selbstbewusste Menschen!

In diesem Moment standen mir plötzlich vier Worte vor Augen.
Vier Worte aus einer besonderen Rede eines besonderen Mannes
I have a dream.

Die Rede ist mehr als 60 Jahre alt.
Gehalten hat sie Pastor Martin Luther King.
Auf einer der größten Friedensdemonstrationen, die je in den USA stattgefunden hat.
Damals ging es nicht um Krieg und Waffen.
Es ging um die Kluft zwischen farbigen und weißen Menschen.
Es ging, um es in heutigen Worten zu sagen, um Vielfalt, um Diversität.
Es ging um die Frage:
Trennt uns das, was uns anders macht oder ist es Quell der Hoffnung, der Freude und der Kreativität?
Ein paar Worte aus der Rede:

Trotz der Schwierigkeiten, mit denen wir heute und morgen konfrontiert sind, habe ich noch immer einen Traum.
Ich habe den Traum, dass eines Tages die Söhne der früheren Sklaven und die Söhne der früheren Sklavenhalter sich auf den roten Hügeln Georgias gemeinsam an den Tisch der Brüderschaft werden setzen können.
Ich habe den Traum, dass eines Tages meine vier kleinen Kinder in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden.
Ich habe den Traum, dass eines Tages in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen mit kleinen weißen Jungen und Mädchen wie Brüder und Schwestern Hand in Hand gehen können.
Mit diesem Glauben werden wir fähig sein, gemeinsam zu arbeiten, gemeinsam zu beten, gemeinsam zu kämpfen, uns gemeinsam für die Freiheit einzusetzen – wohl wissend, dass wir eines Tages frei sein werden.

Ich habe mich in Eisenach gefragt:
Warum fällt dir in diesem Moment ausgerechnet diese Rede ein?

Im Pestalozzi-Seminar versuchen wir, ein Menschenbild zu vermitteln:
Jeder Mensch ist einzigartig, und das ist gut so.
Dieses Menschenbild findet sich in der christlichen Tradition.
Genauso in vielen anderen Religionen.
Und auch in der humanistischen Tradition.

Ich schaute in Eisenach in die Runde und sah diese Einzigartigkeit.
Und mir ging durch den Kopf:
Ich hoffe, ihr wollt und ihr könnt in den nächsten Jahren Menschen darin begleiten und unterstützen:
Ihre Einzigartigkeit zu erkennen, zu leben und zu feiern.
I have a dream, das ist mein Traum.

Die Rede von Martin Luther King zeigt aber auch:
Keineswegs alle Menschen teilen diesen Trau
Damals wie heute gibt es die Auffassung:
Die oder der Andere oder das Andere ist falsch, schlecht oder gar böse.
Und es muss bekämpft werden.
Wer sich für Diversität und Vielfalt einsetzt, muss mit Widerstand rechnen.
Damals wie heute.

An dieser Stelle braucht es die Gewissheit:
Viele Menschen stehen an meiner Seite und träumen den gleichen Traum von Vielfalt.
Menschen, die ich kenne oder auch nicht.
Es braucht solche Träume, die mitreißen, bewegen und anspornen.
Gerade dann, wenn es eklig wird.

Ich habe einen Traum.

Ich habe den Traum, dass wir Grenzen der Sprache und der Kulturen überwinden.

Ich habe den Traum, dass Christ:innen, Muslima und Muslime, Jüdinnen und Juden, Buddhist:innen und andere friedlich miteinander singen und beten.

Ich habe den Traum, dass sexuelle Vielfalt aufhört, Angst zu machen.

Ich habe den Traum, dass die Autistin mit dem Jungen mit ADHS und der Frau mit einem Tourette-Syndrom fröhlich und ausgelassen spielt.

Ich habe den Traum, dass wir uns Tag für Tag darüber freuen, wie verschieden wir sind.

Eine bunte Welt ist möglich.
Ich habe den Traum, dass wir sie gemeinsam wahr werden lassen.

Foto: Pixabay

Ein Gedanke zu “I have a dream

  1. Ich finde den oft von Christen geäußerten Wunsch / Anspruch des gemeinsamen Betens schwierig – beim Gebet der jeweils anderen Religion dabei sein geht. Gemeinsames Lernen geht. Gemeinsames ökologisches / soziales … Engagement geht.

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