Veröffentlicht im Juli 2023 unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC
Erläuterung:
Vor einigen Jahren schrieb ich ein Krippenspiel über einen hinkenden Hauptmann, der durch die Begegnung mit dem neugeborenen Kind spontan geheilt wird. So ein Stück würde ich heute nicht mehr schreiben.
Es ist weniger die Tatsache, dass ich mittlerweile als Pastor in einem diakonischen Unternehmen tätig bin, das Werkstätten und Wohnheime für Menschen mit Behinderungen betreibt. Viel mehr hat sich mein Blick unter der Perspektive der Diversität verändert. Und hier ist es in letzter Zeit vor allem die „Alle-Kinder-Bibel“ von Andrea Karimé gewesen, welche die bunte Vielfalt des Lebens betont, in der alle Menschen gleichwertig nebeneinander leben. Ich habe mich gefragt: Wenn in dieser Bibel Menschen mit Beeinträchtigungen selbstverständlich dabei sind, ohne in irgendeiner Weise betont, hervorgehoben oder was auch immer zu werden – wie sähe das dann in einem Krippenspiel aus?
Ich habe mich dafür entschieden, das Spiel mit einem blinden Menschen zu schreiben. Diese Beeinträchtigung lässt sich einfach darstellen, z.B. mit einem Schal um die Augen. Diese Grundidee lässt sich leicht verändern oder erweitern – um eine:n Rollifahrer:in, einen stummen Menschen, einen mit Gehhilfe usw.. Vielleicht findet sich jemand, der Gebärdensprache beherrscht? Einbauen und es braucht „nur noch“ eine:n Übersetzer:in. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, Menschen mit Beeinträchtigungen zu integrieren – mir ist das über viele Jahre nie in den Sinn gekommen, in denen ich Krippenspiele in der Gemeinde inszeniert habe. Im Nachhinein ist mir das fast etwas peinlich.
Meine Idee ist, zu schauen, wie Menschen mit Beeinträchtigungen mit ihren Möglichkeiten zur Ausbreitung der Weihnachtsbotschaft beitragen. Blinde Menschen „sehen“ oft mehr als andere, das habe ich hier betont.
Hier spielt die Hauptperson bezogen auf die biblische Geschichte eine Nebenrolle. Aber auch ein Hirte oder einer der Könige könnten beeinträchtigt sein – oder warum nicht auf Josef? Mit meinem Entwurf will ich anregen. Lassen Sie ihre Phantasie spielen!
Miriam und Esther sowie der Wirt sind hier weiblich bzw. männlich. Das lässt sich selbstverständlich auch in David und Noah und/oder eine Wirtin verändern.
Rollen:
Miriam (blind)
Esther (beste Freundin von Miriam)
Maria
Josef
Wirt
Hirte 1-3
König 1-3
Engel
Evtl. Erzähler:in
Szene I: Zwei beste Freundinnen
[Die Kulisse zeigt Betlehem, zu sehen sind Wirtshaus und Stall. Der Stern leuchtet über dem Stall. Eventuell kann überlegt werden, ob ein:e Erzähler:in zu Beginn der Szenen kurze Hinweise zu Ort und Tageszeiten gibt.]
Wenn ausreichend Platz vorhanden ist und viele Mitspieler:innen zur Verfügung stehen, können diese wandernd über die Bühne ziehen. Hier wäre auch die Möglichkeit, Menschen mit Beeinträchtigungen zu beteiligen – der Erlass zur Volkszählung galt sicher auch ihnen.
Miriam und Esther sitzen auf dem Boden und spielen mit Würfeln. Esther nennt jeweils die gewürfelte Zahl.]
Miriam (gespielt ärgerlich): Boah, immer gewinnst du beim Würfeln!
Esther (lacht): Stimmt doch gar nicht!
Miriam: Sag mal, es sind schon wieder viele Menschen auf den Beinen hier in der Stadt, oder?
Esther: O ja, es ist zwar erst kurz nach Mittag, aber da laufen schon wieder viele auf der Suche nach einer Unterkunft auf und ab. Andere suchen die Registrierungsstelle. Oder sie haben es gerade geschafft und machen sich auf die Heimreise.
Miriam: Bin ich froh, dass meine Familie hier aus Betlehem stammt und wir nicht irgendwo hinreisen müssen!
Esther: Stimmt! Mein Vater freut sich jeden Tag, dass alle Zimmer im Gasthaus belegt sind. So viel Geld hat er lange nicht verdient. Eigentlich lässt er an Kaiser Augustus kein gutes Haar, aber diesmal ist er zufrieden.
Miriam: Das kann ich von meinem Vater nicht sagen. Tag für Tag sitzt er im Rathaus und muss diese elend langen Listen führen mit Menschen, die von was-weiß-ich-woher kommen. Manche sprechen noch nicht mal aramäisch wie wir, da braucht mein Vater auch noch eine Übersetzerin.
Esther: Ist schon verrückt, dass ein Kaiser einfach sagen kann, jede und jeder muss sich in seinem Geburtsort registrieren lassen. Er sagt: Ihr müsst gehen und wir müssen gehen. Ganz egal wie weit und wie teuer. – Aber ich wollte dir noch etwas anderes erzählen.
Miriam: Oh, was denn? Du machst mich neugierig.
Esther: Seit zwei Tagen steht ein heller Stern genau über Betlehem.
Miriam: Ein Stern? Vorher war der nicht da?
Esther: Nein, der ist plötzlich aufgetaucht.
Miriam: Das ist ja spannend, das hat bestimmt etwas zu bedeuten!
Esther: Aber was?
Miriam: Wir werden es erleben. Wow, toll, endlich passiert mal etwas aufregend Neues in Betlehem!
Wirt: Esther! Kommst du?
Esther: Das ist mein Vater. Ich muss jetzt los, helfen in der Gaststube.
Miriam: Lauf los, wir sehen uns später!
[Esther läuft zum Gasthaus, Miriam verlässt die Bühne zu einer anderen Seite.]
Szene II: Maria und Josef erreichen Betlehem
[Früher Abend. Wenn möglich, das Licht im Altarraum oder auf der Bühne dimmen. Maria und Josef nähern sich langsam. Maria hält sich den Bauch, ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. Miriam sitzt vor dem Gasthaus und wartet auf Esther.
Maria: Josef, ich kann nicht mehr weiter.
Josef: Maria, halt noch etwas durch, was sollen wir machen, ich klopfe an jeder Tür!
Maria (schreit auf): Au, ich glaube, das war eine Wehe! Josef, es ist so weit, unser Kind kommt!
Josef: O nein, das kann nicht sein, dass unser Kind hier auf der Straße zur Welt kommt.
Miriam (hebt den Kopf und lauscht in die Richtung von Maria und Josef): Kann ich euch helfen?
Josef: Das wäre schön, meine Frau braucht ein Bett, sie muss sich hinlegen, ihr Kind kommt!
Miriam: Ich rufe mal meine Freundin Esther, vielleicht hat die eine Idee. ESTHER!
[Esther kommt, ihr Vater gleich hinterher.]
Esther (erschrocken): Was ist Miriam, ist dir was passiert?!
Miriam: Nein, mir geht es gut. Aber die beiden brauchen dringend einen Schlafplatz.
[Esther schaut zu ihrem Vater, der schüttelt den Kopf.]
Wirt: Leider sind alle Zimmer belegt, die Volkszählung, ihr wisst schon.
Josef: Deswegen sind auch wir hier. Aber überall, wo ich frage, heißt es: „Alle Zimmer belegt.“ Was sollen wir machen, eine hochschwangere Frau kann nicht so schnell reisen wie all die anderen.
Maria (verzieht das Gesicht, hält sich an Josef fest): Ooooh …, die nächste Wehe kommt!
Miriam: Ihr habt doch den Stall hinter der Herberge, können die beiden nicht da übernachten? Ist zwar nicht ideal, aber immerhin ein Dach über dem Kopf.
Esther: Gute Idee! Was meinst du, Papa?
Wirt: Toll ist das nicht, aber immer noch besser als hier draußen. Esther, führ die beiden doch dahin!
Josef (verbeugt sich): Vielen, vielen Dank!
[Wirt geht wieder ins Gasthaus. Esther und Miriam führen Maria und Josef zum Stall. Pantomimisch wird gespielt, wie Maria und Josef sich einrichten. Hinter einem weißen Tuch, aufgespannt von Esther und Miriam, kann das Kind zur Welt kommen. Maria legt es in die Krippe, Esther und Miriam verlassen den Stall.
Szene III: Hirtenbesuch im Stall
[Am nächsten Morgen. Wenn möglich, das Licht wieder heller schalten. Esther sitzt vor der Herberge, Miriam kommt hinzu.]
Esther: Guten Morgen Miriam, hast du gut geschlafen?
Miriam: Ja, und ich habe die ganze Nacht geträumt von der Familie im Stall. Und du, wie war deine Nacht?
Esther: Geschlafen habe ich wenig. Dazu war hier zu viel los.
Miriam: Was denn? Erzähl, du machst mich ganz neugierig!
Esther: Erst bin ich gut eingeschlafen. Irgendwann wurde ich wach, weil draußen irgendwer herumlief auf der Straße. Ich bin aufgestanden und habe nachgesehen.
Miriam: Und, was hast du gesehen? Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter!
[Still kommen die drei Hirten auf die Bühne, betreten den Stall und betrachten die Krippe.]
Esther: Da waren drei ärmlich gekleidete Männer, zwei ältere und ein junger. Sie gingen zielstrebig in unseren Stall hinein. Ich wollte wissen, was die da wollten und bin hinterhergeschlichen.
Miriam: Konntest du herausfinden, was die bei der Familie wollten?
Esther: Ja, ich konnte alles verstehen. Ich habe durchs Fenster geschaut.
[Die Hirten knien vor der Krippe.]
Hirte 1: Du bist es also.
Hirte 2: Unser Retter.
Hirte 3: Von Gott gesandt.
Maria: Woher wisst ihr das?
Josef: Ja, wer hat euch gesagt, dass ihr uns genau hier findet?
Hirte 1: Wir waren bei unseren Schafen auf der Weide.
Hirte 2: Wie in jeder Nacht.
Hirte 3: Aber dann war da plötzlich ein helles Licht.
Hirte 1: Der Himmel öffnete sich.
Hirte 2: Wir sahen Engel am Himmel tanzen.
Hirte 3: Sie jubelten und sangen: Halleluja, gelobt sei Gott!
Hirte 1: Wir haben uns trotzdem vor Angst auf den Boden geworfen.
Hirte 2: Aber ein Engel kam zu uns und sagte:
Engel: Fürchtet euch nicht! Heute ist euch der Heiland geboren, der Retter. Geht nach Betlehem! Dort, wo der Stern still steht, findet ihr das Kind. In einem Stall, in einer Futterkrippe.
Hirte 3: Genau so kam es, jetzt sind wir hier.
Maria: Ihr seid die ersten, die Jesus sehen. Hirten, ohne Geld und ohne Macht.
Josef: Was für ein Zeichen, was für eine Botschaft.
Esther: Irgendwann sind sie dann wieder gegangen und ich bin zurück ins Bett. An Schlaf war aber nicht mehr zu denken.
Miriam: Von wegen, Hirten waren die ersten, die das Kind gesehen haben. Das waren doch wir beide, du und ich! Esther, kannst du das glauben?
Esther: Ne, eigentlich nicht. Jetzt muss ich aber los, Frühstück für die Gäste machen, wir sehen uns später.
Miriam: Tschüss, bis später!
Szene IV: Könige besuchen das Kind
[Am gleichen Tag, am Abend. Wenn möglich, das Licht dimmen. Miriam und Esther sitzen vor der Herberge und spielen wieder mit Würfeln. Die drei Könige nähern sich.]
Esther (stupst Miriam an): Du glaubst nicht, was ich grade sehe.
Miriam: Was denn?
Esther: Da kommen drei supergut gekleidete Männer auf uns zu. Ob die bei uns im Gasthaus übernachten wollen? Die haben bestimmt eine Menge Geld! Sie sehen aus wie Könige.
König 1: Hier muss es irgendwo sein.
König 2: Der Stern bewegt sich nicht mehr.
König 3: Er steht genau (schaut sich um und zeigt auf den Stall) über diesem Stall hier.
König 1 (wendet sich an Miriam und Esther): Hallo ihr beiden! Irgendwo hier muss es eine Familie mit einem neugeborenen Kind geben.
Esther (überrascht): Ja … Hier im Stall.
König 2: Danke.
König 3: Wir sind am Ziel!
[Die Könige betreten den Stall.]
Miriam (leise zu Esther): Das kann kein Zufall sein, erst Hirten, jetzt Könige … Komm, wir gehen hinterher!
[Esther und Miriam betreten den Stall. Die Könige knien vor der Krippe.]
Esther (flüstert Miriam zu): Die drei knien vor dem Kind in der Krippe!
(Miriam nickt.)
König 1: Wir beten dich an.
König 2: Du wirst uns alle retten.
König 3: Deine Königsherrschaft wird ohne Ende sein.
König 1: Nimm unsere Geschenke. Gold …
König 2: … Weihrauch
König 3: … und Myhrre.
Josef: Habt Dank für die kostbaren Geschenke! Doch erzählt, wie habt ihr uns gefunden?
König 1: Wir haben am Himmel einen Stern gesehen.
König 2: Wir wussten, das ist das Zeichen, dass weit im Westen ein Königskind geboren wird.
König 3: Wir sind dem Stern gefolgt und kamen nach Jerusalem.
König 1: Bei König Herodes erfuhren wir, dass wir nach Betlehem müssen.
König 2: Jetzt sind wir hier.
König 3: Angekommen, denn der Stern steht über diesem Stall.
Maria (schaut zu Esther und Miriam, die alles mit offenem Mund verfolgen): Miriam und Esther, wollt ihr auch zur Krippe kommen und das Kind sehen?
[Miriam und Esther nicken, kommen näher. Maria nimmt das Kind aus der Krippe und legt es Miriam in die Arme. Esther legt ihre Hand auf den Kopf von Jesus, Miriam fährt mit einem Finger über das Gesicht des Kindes.]
Miriam: Ich kann dich nicht sehen, aber wenn ich dich berühre, wird es ganz hell in mir. Ich sehe Kraft. Und Licht. Und Liebe. Es ist wahr, du wirst die Welt verändern und die Menschen. Du bist von Gott gesandt.
Szene V: Die Flucht
[Der nächste Morgen graut. Miriam kommt, klopft bei Esther am Fenster.]
Miriam: Esther, wach auf!
Esther (verschlafen): Was ist denn los? So früh am Morgen?
Miriam: Ich habe geträumt, es wird gleich etwas passieren hier am Stall!
Esther (jetzt hellwach): Schon wieder? Bist du dir sicher?
Miriam: Ja, hundertpro.
Esther: Dann lass uns nachschauen.
[Als die beiden vor dem Stall stehen, öffnet sich die Tür, Maria und Josef kommen hastig herausgelaufen, Maria hat Jesus auf dem Arm.]
Josef: Habt Dank für eure Hilfe!
Maria: Ja, vielen Dank! Ohne euch hätte ich mein Kind auf der Straße zur Welt gebracht.
Josef: Aber wir müssen leider sofort aufbrechen.
Miriam: Was ist denn passiert?!
Maria: Josef hatte einen Traum.
Josef: Ich sah einen Engel. Der sprach zu mir:
Engel: Josef, wach auf! Weck Maria, packt eure Sachen und flieht nach Ägypten! Herodes, der Herrscher in Jerusalem, will euren Sohn töten, er fürchtet um seine Macht!
Miriam: Das ist ja furchtbar!
Esther: Gut, dass euch der Engel gewarnt hat. Toll, wie Gott für Jesus sorgt!
Miriam: Gute Reise!
[Maria und Josef verlassen die Bühne in schnellen Schritten. Miriam und Esther blicken ihnen nach.]
Szene VI: Nochmal zwei beste Freundinnen
[Miriam und Esther stehen auf der Bühne, schauen in Richtung Gemeinde.]
Miriam: Das ist jetzt ein paar Wochen her.
Esther: Furchtbares ist seither geschehen. Herodes ließ alle kleinen Jungen töten.
Miriam: Weil er Angst vor Jesus hatte.
Esther: Unendlich viel Trauer war in Betlehem zu hören.
Miriam: Aber wir wussten auch, Jesus war in Sicherheit.
Esther: Wie gut, dass Josef seinem Traum vertraute! Ob wir von den dreien noch mal hören?
Miriam: Solange Herodes lebt, bestimmt nicht.
Esther: Das hast du sicher recht.
Miriam: Aber in vielen Jahren, wenn Jesus groß und erwachsen sein wird, dann werden wir und viele andere noch von ihm hören.
Esther: Seine Geschichte wird weitergehen, die Geschichte Gottes mit den Menschen und seiner Schöpfung. (Wendet sich mit einer Geste an die Gemeinde) Denn sonst wärt ihr alle heute Abend nicht hier!
Beitragsfoto: pixabay/Gerd Altmann