7. Juni 1993 – zwischen Panik und Glücksgefühlen

Heute vor dreißig Jahren.
Ich wache auf.
Irgendetwas stimmt nicht.
Da ist ein Riss in meinem Zelt …
Wo kommt der her?

Allmählich werde ich wach.
Schaue mich um.
Wo ist meine Tasche?!
Ein Schreck fährt mir in die Glieder – ich bin beklaut worden!

Im Juni 1993 erfülle ich mir einen Jugendtraum:
Ich fahre mit dem Rad nach Südtirol und über die Berge.
Ende der siebziger Jahre war ich erstmals dort mit einer Jugendfreizeit.
Später mit Christine im Urlaub.
Ich dachte immer wieder:
Wie toll wäre das, hier mit dem Rad lang zu fahren!

Dann wird der Traum wahr.
Mit Auto und Rad geht es nach Süden.
Erste Station ein Campingplatz bei Mittenwald.
Dann Weiterfahrt nach Toblach.
Ich will in die Dolomiten.

Doch an diesem Morgen scheint der Traum zu platzen.
Alles ist weg.
Tasche.
Ausweis.
Kreditkarte.
Geld.

In Panik renne ich aus dem Zelt.
Was soll ich tun?
Wie komme ich weiter?
Das Benzin im Tank reicht nicht für die Heimfahrt…

Es ist noch sehr früh am Morgen.
Die Rezeption am Campingplatz macht erst in einigen Stunden auf.

Ich schaue mich um.




Da hinten leuchtet doch etwas in der Farbe meiner Tasche.
Ich gehe hin.
Es ist meine Tasche!
Und alles ist drin.
Ausweis.
Kreditkarte.
Nur das Bargeld ist weg.

Ich steige aufs Rad und fahre in den Ort.
Am Bankautomat ziehe ich mir Geld.
Uff.
Heimfahrt gerettet.
Und der Urlaub.

Es ist immer noch sehr früh.
Ich packe mein Rad und fahre los.
Durchs Höhlensteintal hinauf nach Misurina und wieder zurück.
Eine großartige Strecke.
Etwas mehr als siebzig Kilometer.
Was für ein Tag!

Später am Tag gehe ich zur Besitzerin des Campingplatzes.
Sie erschrickt zutiefst.
Und ersetzt mir den Schaden.
Denn sie hat „vergessen“ uns auf dem Platz zu warnen.
Wer auch immer zieht gerade über die Plätze der Region.
Schlitzt nachts Zelte auf und klaut, was geht.

Der 7. Juni 1993 ist mir bis heute präsent.
Schreck und Glück ganz nah beieinander.
In den folgenden Nächten packe ich die Tasche in meinen Schlafsack.
Und fahre noch über einige Pässe in Südtirol.

Die Tour war die erste in einer langen Reihe.
Bis 2013 befahre ich nach und nach fast alle Passstraßen in den Alpen.
In Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz und Frankreich.
Immer ganz allein.

Manchmal habe ich mich gefragt:
Was wäre gewesen, wenn ich meinen Ausweis und die Kreditkarte nicht gefunden hätte?
Irgendwie wäre ich sicher wieder nach Hause gekommen.
Aber hätte ich den Mut gehabt, erneut loszufahren?
Ganz allein?
Ich glaube nicht.

P.S.
Seinerzeit hatte ich keine Kamera dabei.
Das Photo vom Lago Antorno ist von Pixabay.
Danke an Lara Badioli!

Ich freue mich über Kommentare: Kritik, Anmerkungen, Zustimmung...

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